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Asbest bedroht 100.000 Arbeitnehmer

■ Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin legt auf Jahrestagung Asbest-Forschungsbericht vor: Nullbelastung »utopisch«/ Im Jahre 2025 mit 1.000 Lungenkrebserkrankungen zu rechnen

Berlin. Beim Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften in Sankt Augustin/Siegburg sind mehr als 100.000 durch Asbest gefährdete Arbeitnehmer registriert. Nach Hochrechnungen der Berufsgenossenschaften ist im Jahre 2025 mit rund 700 bis 1.000 Lungenkrebserkrankungen durch Asbest zu rechnen, hieß es gestern bei der ersten gesamtdeutschen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin in Berlin. Das wäre das drei- bis viereinhalbfache der im Jahr 1987 gemeldeten 225 Lungenkrebserkrankungen. Die Zahl der Asbestosen, der sogenannten Asbest- Staublungen, lägen noch um ein Wesentliches darüber.

Wenn röntgenologisch eine Lungen- oder Rippenfellasbestose (Verhärtung) diagnostiziert wird, steigt das Risiko, an einem Lungen- oder Brustfellkrebs zu sterben, um mindestens das Dreifache. Die Berufsgenossenschaft ist nach den Worten ihres Hauptgeschäftsführers Günther Sokoll bestrebt, Lungenkrebs so früh wie möglich zu erkennen, um Gegenmaßnahmen einleiten zu können. Dazu gehörten sicherheitstechnische Auflagen zur Schadstoffverringerung am Arbeitsplatz, Schutzmaßnahmen für den Arbeitnehmer und schließlich Arbeitsplatzwechsel oder Ruhestand.

Dem jüngsten Forschungsbericht der Zentralstelle Asbest der Berufsgenossenschaften liegen 20.632 Untersuchungen von ehemals asbestexponierten Arbeitern im Jahre 1989 zugrunde. Dabei hätten insgesamt 369 Arbeiter wegen dauernder Gesundheitsbeeinträchtigung durch Asbest ihren Arbeitsplatz wechseln müssen, sagte Sokoll.

Eine asbestfreie Zukunft ist nicht in Sicht: „Eine Null-Belastung bei Asbest ist utopisch“, meinte Gustav Schäcke, Arbeitsmediziner an der Freien Universität Berlin. Die Faser komme unter anderem im deutschen Mittelgebirge natürlich vor. Die vom Bundesgesundheitsamt (BGA) genannte Zahl von 1.000 Fasern pro Kubikmeter Luft als „Eingreifwert“ für eine Asbestsanierung von Gebäuden sei nur als „Diskussionsgrundlage“ anzusehen.

Die technische Richtkonzentration (TRK) für Asbestarbeiten sei im vergangenen Jahr von einer Million Fasern pro Kubikmeter Luft auf 250.000 Fasern gesenkt worden. Der TRK-Wert orientiere sich am „technisch Machbaren“ der Asbestsanierung.

Asbestfasern sind krebserzeugend, aber auch die künstliche Mineralfaser als Asbest-Ersatzstoff gilt mittlerweile als nicht ungefährlich. Die Diskussion um Richtwerte für Kunstfasern orientiert sich an der Haltbarkeit, der Größe und der chemischen Zusammensetzung der verschiedenen Fasern. Künstliche Mineralfasern aus Kalziumsulfat beispielsweise zerfallen wesentlich schneller als Asbest, was ihr Krebspotential senke. dpa

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