Der Krieg wird nicht mehr erklärt, sondern fortgesetzt. Das Unerhörte ist alltäglich geworden: Terézia Mora porträtiert in ihrem großen, unangestrengt artistischen Roman „Alle Tage“ einen jungen Mann, der weniger an der Welt zugrunde geht als an seiner Angst, seiner Scham, seiner Unberührbarkeit
Überzeugt von der eigenen Ideologiefreiheit: Sophie Dannenbergs „Das bleiche Herz der Revolution“ ist eine spätpubertäre, eher private und tragisch dumme Abrechnung mit der Generation der 68er
Die eigene Geschichte und das eigene, schreckliche Leben wird man nie los: Gregor Hens’ Erzählung „Matta verlässt seine Kinder“ ist eine Parabel über Gleichgültigkeit, Sehnsucht und Verlorenheit
„Die Hölle dauert eindreiviertel Stunden. Dieses Buch auch“: Mit „Windows on the World“ hat der französische Schriftsteller Frédéric Beigbeder einen Roman über den 11. 9. geschrieben. Das Buch ist religiös und erzkatholisch geworden, grell und laut
Endlich, der große Deutschlandroman: Christoph Hein hat mit „Landnahme“ das Buch geschrieben, auf das in der Wendezeit so heftig gewartet wurde. Seine Geschichte des fiktiven Orts Guldenberg zeichnet ein Sittenbild des exemplarischen Sachsen
Christoph Peters hat mit seinem Roman „Das Tuch aus Nacht“ das Gegenteil eines Entwicklungsromans geschrieben: eine Auslöschung. Dabei überzeugt er mit seinem unbedingten Willen zur Konstruktion und zur totalen Kontrolle, doch wirklich zu fesseln oder gar zu berühren vermag sein Roman wenig
Die Familie ist nicht gerade ein geeignetes Modell, um einen kapitalistischen Konzern zu führen: Sten Nadolny erzählt in seinem „Ullsteinroman“ die Geschichte der Familie Ullstein und beschreibt präzis den Aufstieg und Niedergang ihres Verlagsimperiums
Auch unter Nackten geht es letzten Endes immer um Eroberungen und Territorialkämpfe: Ernst Augustins Roman „Die Schule der Nackten“ ist zugleich genitale Freakshow, Verhaltensforschung und eine Satire auf Psychogruppen und ihre Lächerlichkeit
Martin Walser zeigt sich als Handlungsreisender in eigener Sache und gibt sich zur Abwechslung altersweise und mild: Sein neues Buch „Meßmers Reisen“ ist eine Einübung in die Standpunktlosigkeit und ein Versuch, ohne Überzeugungen zu leben
Pünktlich zum Jahrestag der Walser-Debatte erscheint mit „Der Ernstfall“ ein Sammelband über Martin Walsers Roman „Tod eines Kritikers“. In diesem werden die gegen Walser erhobenen Antisemitismus-Vorwürfe vollauf entkräftet, aber auch die komplexen Motivlinien des Romans sichtbar gemacht