Mattias Büchner übergab der Staatsanwaltschaft brisante Stasi-Akten aus seinem „Privatarchiv“ ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt Erfurt (taz) — Der im Herbst 1989 als thüringischer „Stasi-Jäger“ über die Landesgrenzen hinaus bekanntgewordene Landtagsabgeordnete Matthias Büchner vom Neuen Forum hat der Staatsanwaltschaft jetzt bristante Akten übergeben. Im Herbst 1990 hatte er diese Akten „vor dem Zugriff von Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz in Sicherheit gebracht“. Es handele sich dabei um Material über geplante und durchgeführte Wirtschaftsverbrechen der Staatssicherheit, über die Vorbereitung von „Internierungslagern für Andersdenkende“ und über die Spionagetätigkeit der von Erfurt aus geführten Agenten, sagte Büchner am Sonnabend am Rande der Mitgliederversammlung des Neuen Forum in Erfurt. Nachdem es im August 1990 im Zentralarchiv zu einem „unglaublichen Zwischenfall“ gekommen sei, habe er beschlossen, die Akten aus dem Zentralarchiv in sein „Privatarchiv“ zu überführen. Im Auftrag von Bundeskriminalamt (BKA) und Verfassungsschutz (VS) habe damals ein „Kommando von Revolvermännern“ unter Leitung des Kriminalhauptkommissars Sauer vom Zentralen Kriminalamt in Berlin mit entsicherten Waffen von den Archivaren und Bürgervertretern verlangt, bestimmte Akten herauszugeben. „Unter Verletzung der Gesetze“, so Büchner, seien von Sauer und seinen Leuten Akten über die Zusammenarbeit der Stasi mit internationalen Terrorgruppen, wie zum Beispiel Dokumente über die Schleyer-Entführung durch die RAF und über die Beziehungen der Stasi zur berüchtigten Abu-Nidal-Gruppe, der Ermittlungsarbeit der Bürgerkomitees und der Staatsanwaltschaften entzogen worden. Denn bis heute seien die, nach Angaben der nach dem Vorfall von Büchner angerufenen Erfurter Staatsanwaltschaft von BKA und VS „entliehenen“ Akten nicht wieder aufgetaucht. Damals seien auch Akten über die Zusammenarbeit des Ministeriums für Staatssicherheit mit Polizeioffizieren verschwunden. Da die „Gruppe Sauer“ bei ihrem „Überfall auf das Erfurter Archiv“ eine Pauschalverfügung des Generalstaatsanwaltes der DDR habe vorweisen können, trage der damals noch amtierende DDR-Innenminister Diestel die volle Verantwortung dafür, daß „ohne Rechtsgrundlage“ Stasi-Akten an BRD-Geheimdienste weitergegeben worden seien. Daß Büchner die Akten aus seinem „Privatarchiv“ erst rund ein Jahr nach den Vorgängen im Zentralarchiv der Erfurter Staatsanwaltschaft übergeben hat, läge daran, daß er „erst heute Vertrauen zum neuen Oberstaatsanwalt gefaßt“ habe. Büchner kündigte die Übergabe weiterer Akten an die Staatsanwaltschaft an. So seien von der Stasi rund zwei Millionen BRD-BürgerInnen erfaßt und in Akten archiviert worden. Bei rund 200.000 dieser BürgerInnen, wie zum Beispiel bei Udo Lindenberg und Helmut Kohl, habe die Stasi versucht, über dunkle Stellen in den jeweiligen Biographien die „Erpreßbarkeit“ herzustellen. Und das sei, so Büchner, „für bestimmte bundesdeutsche Kreise ein Grund dafür, den Bürgerkomitees den weiteren Einblick in die Stasi-Akten zu verweigern“.
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