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■ Art goes out (Teil 2): Engagement für „Kunst und Heizung“Herr Uecker und sein Boiler

„Die Kunst muß raus aus den Museen“, forderte Marcel Duchamp. Und sie tut es. Nichts ist mehr sicher vor ihr. Keine Fastenklinik nicht, wie wir vor kurzem berichteten, und alles andere eigentlich auch nicht. Hier nun ein weiteres Beispiel.

Natürlich habe ich die Zahnbürste von Philippe Starck, aber richtig glücklich macht mich das auch nicht, wenn ich morgens ins Badezimmer komme. Irgend etwas fehlt, um auch diesen funktionalen Raum zum ästhetischen Erlebnis werden zu lassen. Im Wohnzimmer stehen Stühle von Charles Eames um den Tisch von Marcel Breuer, in der Küche wartet die Stelton-Kaffeekanne von Erik Magnussen neben dem Obstkorb No. 826 von Alessi, und im Flur hängt mein Schlüssel am Scala- Board von Manfred Makedonski. Alles teuer, alles schön – nur das Badezimmer hat so gar nichts Aufregendes zu bieten.

Der rettende Brief kam aus Allendorf an der Eder. Jetzt endlich, teilen mir von dort in einer tristen grauen Pressemappe die Viessmann-Werke mit, gebe es auch Kunst fürs Badezimmer. Nach von Malern gestalteten Autos, Milchgläsern und Bettlaken kommt nun endlich auch der künstlerisch wertvolle Gaswandkessel. Gemeinsam mit dem Münchener Galeristen Walter Storms sei es gelungen, verkündete die Viessmann-Pressestelle, fünf namhafte Künstler einzuladen, den Gaswandkessel „Eurola-Kat“ zu gestalten. Das dafür anfallende Honorar ließen sich der altgediente ZERO-Nagler Günther Uecker und seine notfalls immer gern genommenen Kollegen Heinz Mack und Otto Piene ebensowenig durch die Lappen gehen wie ihre eher Zen-orientierten Mitstreiter Rupprecht Geiger und Anton Stankowski.

„Von kalt zu einem erwärmenden Rot/Orange“ steigere sich die Farbsymbolik auf Stankowskis Kessel, interpretiert der Pressetext stolz die Edition. „Abwehrend strecken sich mit Schultafellack geschwärzte Hände dem sich Nähernden entgegen“, beschreibt er in geradezu kafkaesker Metaphorik Ueckers Eurola-Kat, der „dem Betrachter ,Heiß – Vorsicht, nicht berühren!‘ entgegenzurufen“ scheine – Kunst mit Nutzund Brennwert. Gerade Günther Uecker sei dem Hause schon seit zehn Jahren verbunden, erfahre ich beglückt weiter: „Damals perforierte er mit dicken Nägeln von innen nach außen einen massiven Viessmann Vitola-biferral.“

Auch die neue Sonderedition stehe „in der Tradition unseres Engagements ,Kunst und Heizung‘, das erstmals in der vielbeachteten gleichnamigen Ausstellung des Jahres 1989 umgesetzt wurde“. Damals hatten unter anderem Magdalena Jetelova, Marie-Jo Lafontaine und Bill Woodrow im Rahmen der „Internationalen Fachmesse Heizung, Sanitär, Klima“ fürs Firmenmuseum je einen jener Heizkessel künstlerisch gestaltet, die normalerweise in der staubigsten Ecke des Heizungskellers stehen. Für die Präsentation des neuen Heizungskunstprojektes stellte diesmal, gegen entsprechendes Salär, die renommierte Frankfurter Kunsthalle Schirn ihre Räume zur Verfügung.

Meinem tristen Badezimmer allerdings nützt die neuerliche Kunstoffensive des Allendorfer Kesselwerkes auch nichts. Von jedem Modell der Künstleredition wurden nämlich gerade einmal zehn Exemplare aufgelegt, und die waren, handsigniert und numeriert, längst weg, bevor sie überhaupt zu den Heizungsbauern kamen. Über den Kaufpreis gibt das Unternehmen keine Auskunft. Für das Geld, das ich gespart habe, kann ich mir jetzt aber mit Sicherheit so lange neue Zahnbürsten von Philippe Starck kaufen, bis ich ein Gebiß trage. Stefan Koldehoff

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