Arratia Beer: Protestsubstanz
Auf den ersten Blick ist es ein wunderbar auf den Punkt gebrachtes Studium der geometrischen Grundformen des Konstruktivismus in Schwarz, Orange und Weiß – doch Fernanda Fragateiro bricht in ihrer Ausstellung „DEMO“ bei Arratia Beer sofort die Regeln der gegenstandslosen Kunst und legt figurative Referenzen offen: Die rechteckigen, quadratischen, ineinandergeschachtelten Skulpturen aus Stahl, Buchbinderleinen und integrierten Buchrücken sind abstrahierte Reinterpretationen einer Protestszene.
Unter aussortierten Büchern im Goethe-Institut Lissabon fand Fragateiro die Publikation „Demo: Eine Bildgeschichte des Protests in der Bundesrepublik“ von 1986. Auf dem Umschlagbild Demonstranten, die unter Wasserwerfern hinwegtauchen. Dass es sich um einen Protest der Frankfurter Roten Punkt Aktion gegen steigende Preise für öffentliche Verkehrsmittel von 1974 handelt, ermittelte Fragateiro nach und nach mittels der Kleidung der Zeit und architektonischer Marker auf der Abbildung.
Während die Künstlerin in ihrem Werk auch selbst architektonisch in ganze Häuser und Räume interveniert, die sie mit minimalistischen Strukturen überzieht, verdichtet sie hier den großen Zusammenhang auf kleinem Raum. Ihr Destillat ist Farbpalette des politischen Protests, die sich immer wieder im Komplementär-Kontrast Blau/Orange – auch zwischen den Arbeiten im Raum – zeigt. Die Wandarbeit „images are acts“ präsentiert die Bildinformation „Jeans“ als Spektrum: Auf 4 Meter Länge wirkt das Buchbinderleinen, das sie in verschiedenen Blautönen verwendet, wie Leinwand. Fragateiro liebt dieses Spiel mit Genrekonventionen: Skulptur als Malerei, Minimalismus befreit von Entpersönlichung. NYM
Bis 10. 6., Di.–Sa., 12–18 Uhr, Potsdamer Str. 87
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