: Armenier diskutieren über Sezession
■ Panzer und Armee vor öffentlichen Gebäuden in Eriwan aufmarschiert / Generalstreik in Armenien / Anti-armenische Aktionen im Berg-Karabach / Alle armenischen Häuser niedergebrannt / „Sonderzustand“ und Ausgangssperre über Berg-Karabach verhängt
Moskau (dpa) - Der Konflikt um das autonome Gebiet Berg -Karabach im Kaukasus hat sich erneut zugespitzt. In der armenischen Hauptstadt Eriwan gingen nach Angaben eines Sprechers der armenischen Nachrichtenagentur Armenpress am Donnerstag Panzer zum Schutz öffentlicher Gebäude in Stellung, während Hunderttausende für eine „gerechte und unverzügliche“ Lösung demonstrierten. Nach diesen Angaben kam das öffentliche Leben praktisch zum Stillstand, da in den meisten Betrieben und Bildungseinrichtungen gestreikt werde. Nach Angaben des Agentursprechers haben die mit Schützenpanzern ausgerüsteten Truppen des Innenministeriums vor den Amtsgebäuden von Zentralkomitee, Ministerrat, Oberstem Sowjet, dem Fernsehzentrum und anderen Gebäuden Position bezogen, obwohl denen „keine Gefahr“ drohe. Wie der Moskauer Bürgerrechtler Sergei Grigorjanz erklärte, soll in Armenien nun unter Umständen die Frage eines Austritts der Sowjetrepublik aus der UdSSR gestellt werden.
Mitglieder des verbotenen Berg-Karabach-Komitees kündigten für den Abend eine „Sonderverlautbarung“ an. Am Mittwoch hätten sie erklärt - so Grigorjanz - daß sie die Frage eines Referendums über ein Ausscheiden Armeniens aus der UdSSR aufwerfen wollten, falls der Oberste Sowjet (Parlament) der Republik der Forderung nach einer Sondersitzung nicht nachkomme. Theoretisch bietet die sowjetische Verfassung den Unionsrepubliken die Möglichkeit zu einem Austritt aus der UdSSR.
In Berg-Karabach selbst ist es nach den Worten von Grigorjanz vergangene Nacht zu anti-armenischen Ausschreitungen gekommen. Demnach drangen in der mehrheitlich aserbeidjanisch besiedelten zweitgrößten Stadt Schuscha Aserbeidjaner in die Häuser von Armeniern ein, plünderten sie und steckten sie in Brand. Praktisch alle armenischen Häuser in Schuscha seien niedergebrannt worden. Wie Grigorjanz weiter erklärte, gingen die in Karabach eingesetzten Sondertruppen „grob“ gegen die armenische Bevölkerung vor. Man könne erkennen, daß sie „nach einer Spezialbehandlung anti-armenisch“ eingestellt seien.
Über Berg-Karabach waren nach Angaben der amtlichen sowjetischen Nachrichtenagentur TASS vom Mittwoch ein „Sonderzustand“ und eine Ausgangssperre verhängt worden.
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