: Armenier dementieren Mobilmachung
Für die Wirtschaft war allerdings der Ausnahmezustand erwogen worden/ Armenischer Außenminister warnt Türkei vor Einmischung / UNO-Unterhändler Vance reist heute nach Jerewan ■ Aus Moskau Barbara Kerneck
Gerüchte über eine Generalmobilmachung in Armenien, die gestern durch die westeuropäischen Nachrichtenagenturen geisterten, haben sich als haltlos erwiesen. Ebenso hatte die russische Fernsehnachrichtensendung Wremja fälschlicherweise die Verhängung des „Ausnahmezustandes“ in Armenien gemeldet.
Die in Moskau und Jerewan arbeitende Kaukasus-Nachrichtenagentur 'Amis‘ erkundigte sich auf Bitten der taz in der Kanzlei des armenischen Präsidenten Ter-Petrossjan. Dessen Weigerung, sich auf dem am Freitag in Kiew beginnenden GUS-Gipfel mit dem aserbaidschanischen Staatsoberhaupt Yagub Mamedow zu Friedensverhandlungen zu treffen, hatte die Wremja auf eine solche dramatische Wendung der Dinge zurückgeführt. Ter-Petrossjans Mitarbeiter erklärten uns dagegen, daß er immerhin an der GUS-Tagung teilnehmen werde. Er habe am Mittwoch abend auf einer Krisensitzung der armenischen Regierung die Erklärung eines Ausnahmezustandes lediglich in der Wirtschaft erwogen und dann wieder verworfen. Ter-Petrossjan rief auf dieser Sitzung, an der Vertreter aller politischen Gruppierungen im Lande teilnahmen, dazu auf, alle Kräfte des Landes angesichts der bevorstehenden wirtschaftlichen Katastrophe zu konsolidieren und eine Reihe von ökonomischen Notmaßnahmen auszuarbeiten.
Das benachbarte Aserbaidschan blockiert die Zulieferungswege nach Armenien vollständig und hält dieser Politik zuliebe Güterzüge mit einhundertundzehntausend Tonnen Erdöl, Benzin und Dieselkraftstoff zurück. Selbst bei strenger Rationierung werden die Vorräte in Jerewan nur noch für eine Woche reichen. Erstmals ist deshalb im Lande die Frühjahrsaussaat bedroht. Die armenische Landwirtschaft ist schon seit Mitte 1991 völlig privatisiert und versorgte das Land bisher so effektiv mit Nahrungsmitteln, daß auf diesem Sektor fast eine Autarkie erreicht wurde. Schon seit Monaten wurde in Jerewan nicht mehr geheizt, um Energie zu sparen. Am gestrigen Donnerstag ist nun eine neue Regelung in Kraft getreten, derzufolge in der ganzen Stadt täglich in zwei Intervallen für die Dauer von jeweils sechs Stunden Elektrizität und Gas völlig abgeschaltet werden.
Teilweise im Dustern müssen also der UN-Sonderbevollmächtigte Cyrus Vance und der iranische Außenminister Vaezi ihre Friedensmission am Freitag in Armenien fortführen. Ebenfalls zunehmend düster stellen sich die armenisch-türkischen Beziehungen dar. Armeniens Außenminister Hovanissian zieh die Türken am Donnerstag der indirekten Teilnahme an der Blockade und der Ausbildung von aserbaidschanischen Soldaten. Dies berge die Gefahr der Eskalierung des Krieges.
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