Athen geht an die letzten Reserven

KRISE Die griechische Regierung zahlt Rate an den IWF aus Notfallkonto. Ein Treffen der Eurogruppe verläuft zwar überraschend entspannt, doch die Zeit drängt. Dem Land geht das Geld aus

BRÜSSEL taz | Im Schuldenstreit zwischen Griechenland und seinen Gläubigern zeichnet sich eine leichte Entspannung ab. Die Regierung in Athen überwies am Dienstag 750 Millionen Euro zur Schuldentilgung an den Internationalen Währungsfonds (IWF). Ohne die Überweisung hätten die Gläubiger einen Zahlungsausfall erklärt – Athen wäre pleite. Die Summe wurde offenbar aus einem Notfallkonto finanziert, das für IWF-Mitglieder obligatorisch ist und nun wieder aufgefüllt werden muss.

Im Gegenzug verständigte sich die Eurogruppe auf eine unerwartet freundliche Erklärung, in der erstmals Fortschritte auf dem Weg zu einer Einigung gewürdigt wurden. Allerdings wurde Athen auch zu mehr Tempo gemahnt. „Die Zeit läuft aus“, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Bis Ende Juni müsse eine Vereinbarung über neue Spar- und Reformauflagen stehen, auch der Bundestag muss noch zustimmen.

De facto läuft die Frist deshalb wohl schon Anfang Juni ab. Neben den politischen gibt es dafür auch wieder finanzielle Gründe. Das Geld in Athen reiche nur noch „ein paar Wochen“, warnte Schäubles griechischer Amtskollege Gianis Varoufakis. Vor dem Treffen der Eurogruppe hatte er deshalb um eine „Liquiditätshilfe“ gebeten – also eine Vorauszahlung auf die zugesagten Hilfskredite. Doch das blockten die Gläubiger ab.

Für Irritationen hatte am Montag Schäuble gesorgt, der sich erstmals für ein griechisches Referendum über die Reformen aussprach. Eine solche Volksabstimmung hatte der griechische Premier Alexis Tsipras ins Gespräch gemacht. Bisher waren Berlin und Brüssel allerdings strikt gegen Volksabstimmungen in den Euro-Krisenländern gewesen. Wegen eines geplanten, angeblich nicht mit den Gläubigern abgestimmten Referendums musste 2011 sogar der damalige griechische Premier Georgios Papandreou seinen Hut nehmen.

Diesmal sieht Schäuble in einem Referendum plötzlich einen möglichen Ausweg aus dem festgefahrenen Schuldenstreit. „Das wäre vielleicht sogar eine richtige Maßnahme, das griechische Volk entscheiden zu lassen“, sagte der CDU-Politiker. Offenbar hofft Schäuble, auf diesem Wege auch unpopuläre Sparmaßnahmen durchsetzen zu können, für die die griechische Linksregierung sonst keine Mehrheit im Parlament hätte.

Allerdings war er mit dieser Meinung in Brüssel ziemlich allein. Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem sprach sich gegen ein Referendum aus, da es zu viel Zeit kosten und die Einigung gefährden könnte. Die steht auch so auf der Kippe, denn die beiden wichtigsten Knackpunkte sind immer noch nicht ausgeräumt. Athen lehnt sowohl Rentenkürzungen, wie sie die Gläubiger fordern, als auch eine neue Flexibilisierung des Arbeitsmarkts ab. Die Frage ist nun, ob und wie lange das noch anhält. ERIC BONSE