Süßigkeiten zum Advent

Romantik in der Downing Street 10: Die britische Filmkomödie „Tatsächlich … Liebe“ mit Hugh Grant ist von solch ausgesprochener Herzigkeit, dass es absolut unmöglich ist, sie nicht sofort zu mögen

Richard Curtis besitzt viel Gespür für Komik. Nur die ordnende Hand fehlt ihm als Regisseur

von HARALD PETERS

Richard Curtis ist in England ein angesehener Mann. Obwohl „Tatsächlich … Liebe“ seine erste Regiearbeit ist, brachte er die britische Filmindustrie in den vergangenen Jahren fast im Alleingang wieder international ins Gespräch. Immerhin schrieb er die Drehbücher zu „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“, „Notting Hill“ und „Bridget Jones“.

„About A Boy“ stammte dagegen aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen nicht von ihm, obwohl der Film ganz danach aussieht, als wäre er von Curtis geschrieben worden. Und wie es scheint, wollte Curtis dieser Tatsache wenigstens im Nachhinein Rechnung tragen. Weshalb der Junge aus „About A Boy“ neben all den tatsächlichen Curtis-Figuren in leicht überarbeiteter Form nun in seinem Regiedebüt auftaucht.

Aus Respekt vor all den Nebencharakteren, die natürlich in irgendeiner Form berücksichtigt werden mussten, wurde „Tatsächlich … Liebe“ zu einem Episodenfilm. Und da die Handlung fünf Wochen vor Weihnachten beginnt, könnte man ihn auch als einen cineastischen Adventskalender bezeichnen, der sich voll und ganz der romantischen Komödie britischer Prägung verschreibt. Und wie ein Adventskalender – der zu süßlich und zu kitschig ist, der mehr verspricht, als er hält, der zu viele Häppchen beinhaltet, die stets zu klein sind, um davon satt zu werden – ist das Werk von solch Herzigkeit, dass es aussichtslos ist, „Tatsächlich … Liebe“ nicht zu mögen.

Dabei sind die Geschichten gar nicht einmal originell. Liam Neeson versucht, über den Tod seiner Frau hinwegzukommen. Thomas Sangster, sein 11-jähriger Sohn, hat sich unglücklich verliebt. Neeson zu Sangster: „In einen Jungen oder ein Mädchen?“ Colin Firth verliert sein Herz an seine portugiesische Haushälterin Lucia Moniz, obwohl er kein Wort von dem versteht, was sie sagt. Heike Makatsch versucht ihren Boss Alan Rickman zu verführen.

Emma Thompson, seine Frau, spürt die Gefahr, während Hugh Grant als ihr unverheirateter Bruder und Premierminister sich in eine Bedienstete verguckt, an der sich Billy Bob Thornton als fieser US-Präsident beim Staatsbesuch vergreift, weshalb es unter dem Jubel der britischen Bevölkerung zu einem transatlatischem Zerwürfnis kommt. Und das ist nicht einmal alles.

Der Gewinner dieser bunten Richard-Curtis-Revue ist allerdings Bill Nighy als abgehalfterter Rockstar, der gezwungen wird, sein Comeback mit dem vielleicht miesesten Weihnachtslied, das die Welt je gehört hat, zu versuchen, und deshalb den gesamten Films über auf äußerst kreative Weise flucht.

Zwar bietet „Tatsächlich … Liebe“ einerseits viel zu viel (Personen) und andererseits auch wieder viel zu wenig (Inhalt). Zwar hat er nicht die technische Perfektion von „Vier Hochzeiten …“ und „Notting Hill“ und bietet eine Eröffnungssequenz, in der so haltlos und peinlich über den 11. September sowie die Liebe und den Hass schwadroniert wird, dass es sich anbietet, sie im Zuge einer Verspätung zu verpassen. Doch dafür hat der Film auch eine umwerfende Szene, in der Hugh Grant von Liebe entflammt zu „Jump“ von den Pointer Sisters durch die Downing Street No. 10 tanzt. Und das lässt abschließend zu dem Urteil kommen, dass Curtis ein gutes Händchen für Situationskomik hat und in der Zubereitung von Häppchen sehr viel Talent.

Nur beim Ordnen und Aussortieren hat er offenbar Probleme. Der Film ist so gesehen wunderbares Werk eines nicht ganz so wunderbaren Regisseurs.

„Tatsächlich … Liebe“. Regie: Richard Curtis. Mit Hugh Grant, Emma Thompson, Heike Makatsch, Billy Bob Thornton u. a. England 2003, 135 Minuten