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Archiv-Artikel

Scheinlösung Elektroauto

Autoindustrie und -fahrer setzen auf den umweltfreundlichen und billigen Batterieflitzer. Doch günstige und ökologische Individualmobilität wird auch mit ihm nicht möglich

Bernward Janzing ist studierter Geowissenschaftler und arbeitet als freier Journalist in Freiburg. Die Energiemärkte sowie die effiziente – und kostensparende – Nutzung von Energie zählen seit Jahren zu den Schwerpunkten seiner Arbeit.

Für umwelt- und preisbewusste Autofahrer gibt es eine ultimative Verheißung: das Elektroauto. Vom Autobauer über die Stromversorger bis hin zu Solarfreunden verbreiten alle den neuen Wohlfühlslogan, alles werde gut, wenn das Elektroauto komme. Passend meldete die Financial Times Deutschland am Freitag, Daimler und der Stromversorger RWE wollten schon 2009 in Berlin und anderen europäischen Metropolen Ladestationen für Elektro-Smarts aufbauen. Um es vorwegzunehmen: Die billige Massenmobilität per Elektromobil wird eine Illusion bleiben.

Denn der Elektroantrieb ist nur der dritte Akt in einem bizarren Schauspiel, das im Zeitalter knappen und teuren Rohöls billige Lösungen für die Massenmobilität sucht – und am Ende nur Pseudolösungen findet.

Der erste Akt war die Brennstoffzelle. Woher der Wasserstoff kommen sollte, war nie klar, und es hat auch niemanden der Claqueure interessiert. Dann blieb auch noch die Forschung weit hinter ihren Plänen zurück. Erinnern wir uns: Vor zehn Jahren versprach die Automobilwirtschaft eine Serienfertigung von Pkws mit Brennstoffzellenantrieb für das Jahr 2005. Opel warb 1998 damit, man werde die Brennstoffzelle sogar „marktreif bereits 2004“ ins Auto bringen. Und Daimler plante für das Jahr 2005 die Fertigung von zigtausend Fahrzeugen. Heute müssen die Autobauer eingestehen, dass sie viel zu euphorisch waren. Ob das Brennstoffzellenauto je kommt, ist offen.

Der Wasserstoffwelle folgte der Biotreibstoff. Oder besser: der Agrotreibstoff (um die Vorsilbe Bio nicht zu entwerten.) Der Agrotreibstoff sollte als heimischer Energieträger unabhängig machen von den Scheichs, und er galt zudem dank vermeintlicher Klimafreundlichkeit als Ökolösung. Inzwischen ist man auch hier schlauer. Man weiß, dass die Klimabilanz der biogenen Flüssigkeiten gar nicht so rosig ist. Je nach Herkunft und Art des Treibstoffs ist sie bestenfalls erträglich, in vielen Fällen jedoch katastrophal. Zudem treibt der Sprit vom Acker vor allem eines an – die Lebensmittelpreise.

Die Politik hat ihren Rückzug von diesem Feld daher eingeläutet. Ein bisschen hängt man noch an den Biokraftstoffen der zweiten Generation, am Sprit aus Holz zum Beispiel, doch seine Kosten, seine Ökobilanz und am Ende wiederum die knappen Rohstoffe werden auch diese Treibstoffvariante allenfalls zur Nischenlösung degradieren. Also musste ein neuer Hoffnungsträger her.

Man fand ihn im Elektroauto. Denn dieses ist ja ach so billig im Betrieb. 20 Kilowattstunden Strom reichen für 100 Kilometer, das sind bei heutigen Strompreisen 4 Euro. Da leuchten die Augen des Fernpendlers. Denn ein Benziner, der 7 Liter Treibstoff braucht, belastet die Haushaltskasse inzwischen mit gut 10 Euro Sprit je 100 Kilometer. Aus den Vorstädten tönt daher der Lobgesang auf die schöne neue Elektrowelt.

Doch der Schein trügt. Die plötzliche Popularität des Batterieflitzers offenbart nur die Hilflosigkeit einer Gesellschaft, die nicht wahrhaben will, dass Mobilität ein knappes und zunehmend teures Gut ist. Denn auch der Betrieb von Elektrofahrzeugen wird nicht so billig bleiben können, wie er heute erscheint. Der Preis des Fahrstroms nämlich wird deutlich steigen, wenn sich das E-Mobil tatsächlich in großem Stil durchsetzen sollte.

Fahrstrom würde deutlich teurer, wenn sich das E-Mobil tatsächlich in großem Stil durchsetzen sollte

Aus zwei Gründen. Erstens stiege die Nachfrage nach Strom. Ein Elektrofahrzeug mit durchschnittlicher Fahrleistung von 10.000 bis 15.000 Kilometern jährlich braucht dafür etwa 2.500 Kilowattstunden Strom. Würde eines Tages jedes vierte Auto in Deutschland elektrisch fahren, wären das fast 30 Milliarden Kilowattstunden Mehrverbrauch im Jahr. Das ist so viel, wie drei große Atomkraftwerke erzeugen. Oder anders gerechnet: Es entspricht 5 Prozent des deutschen Stromverbrauchs.

Das mag nun wenig klingen. Doch alle Energiemärkte sind sehr sensibel gegenüber Nachfragesteigerungen. Mehrverbräuche von wenigen Prozent treiben erfahrungsgemäß die Preise an den Börsen erheblich in die Höhe. Das wird dann übrigens nicht nur die Fahrer von Elektrofahrzeugen treffen, sondern alle Stromkunden.

Der zweite Punkt ist die Steuer. Ein Liter Benzin ist heute mit etwa 65 Cent Mineralölsteuer belegt. Auf dieses Geld kann der Staat nicht verzichten; man erwartet schließlich von ihm vielfältige Leistungen, die alle Geld kosten. Also ist es nur folgerichtig, wenn die beim Benzin wegbrechenden Einnahmen durch eine Fahrstromsteuer kompensiert werden. Dann jedoch ist es vorbei mit dem Preisvorteil des Stroms: Würde man den Wegfall der Mineralölsteuer vollends durch einen Aufschlag auf den Strom kompensieren, wäre die Kilowattstunde Fahrstrom glatt doppelt so teuer wie heute.

Das ist nun die rein ökonomische Seite, die der billigen Elektromobilität entgegensteht. Ein weiterer Punkt hat mit der Technik zu tun. Denn die Kosten des Akkus werden von den Propheten der schönen neuen Stromwelt gerne dezent verschwiegen – obwohl oder gerade weil sie beträchtlich sind. Ein Akku, der heute bestenfalls 1.500 Ladezyklen schafft, kostet bei einer Kapazität von 10 Kilowattstunden rund 15.000 Euro. Das heißt: Jede Betankung kostet 10 Euro an Akkuverschleiß. Das ist ein voller Euro pro Kilowattstunde.

Geht man nun davon aus, dass der Preis der Akkus durch Massenfertigung auf ein Drittel sinkt und zugleich die Lebensdauer durch technischen Fortschritt sich um gut das Dreifache erhöht, hätte man die Akku-Kosten pro Ladevorgang auf ein Zehntel gedrückt. Das wären jedoch noch immer 10 Cent pro Kilowattstunde. Realistisch gerechnet, wird das Elektrofahrzeug den Benziner also auch langfristig kaum preislich unterbieten können.

So bleibt am Ende die Erkenntnis, dass es billige Individualmobilität abseits der eigenen Muskelkraft nicht auf Dauer geben wird. Auch das Erdgas, das derzeit noch als billige Alternative existiert, wird nach 2018 mit dem Benzinpreis gleichziehen. Bis dahin hat der Staat die Mineralölsteuer für Erdgas reduziert, doch auch hier gilt: Mit steigendem Marktanteil der Erdgasfahrzeuge wird der Finanzminister sich diese Subvention nicht mehr leisten können. Ist die Frist abgelaufen, dürfte auch hier eine hohe Steuer fällig werden.

Der Elektroantrieb ist nur der dritte Akt in einem bizarren Schauspiel im Zeitalter knappen Rohöls

Zurück zum Elektroauto. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Dieses Fahrzeug ist technisch in der Tat eine attraktive Option. Denn Strom hat den unschlagbaren Vorteil, dass er sich beim Bremsen zurückgewinnen lässt. Und zudem können Elektrofahrzeuge zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen. Denn wenn die Akkus immer dann geladen werden, wenn ohnehin gerade viel Strom verfügbar ist – etwa, weil gerade der Wind kräftig bläst –, dann lassen sich damit die Leistungsschwankungen im Stromnetz vortrefflich glätten.

Somit hat das Elektroauto als technische Innovation durchaus Charme und eine große Zukunft. Nur eines wird der Batterieflitzer eben nicht sein: ein Vehikel, das uns durch Discountpreise vom Zwang zur Verkehrsvermeidung befreit. BERNWARD JANZING