„CDU-Mitglieder zeigten Distanz zur SED“

Dagmar Schipanski, Koordinatorin des Ost-Antrags für den CDU-Parteitag, nimmt die Angehörigen der Blockpartei in Schutz. Den Schlüssel für Wahlerfolge in den neuen Ländern sieht sie im Werben für die Marktwirtschaft und mehr DDR-Aufarbeitung

DAGMAR SCHIPANSKI, CDU, ist Landtagspräsidentin in Thüringen. Sie war 1999 Kandidatin für das Bundespräsidentenamt.

INTERVIEW RALPH BOLLMANN

taz: Frau Schipanski, seit drei Jahren regiert eine CDU-Kanzlerin aus Templin, trotzdem steht die Partei im Osten schlecht da. Was machen Sie falsch?

Dagmar Schipanski: Angela Merkel ist eine gesamtdeutsche Kanzlerin, das begrüße ich. Die besonderen Probleme in den neuen Bundesländern hängen mit der Arbeitslosigkeit zusammen. Dennoch: Der CDU wird nach wie vor die größere Wirtschaftskompetenz bescheinigt.

Warum werden Sie dann nicht gewählt?

Die CDU wird sehr wohl gewählt. Aber in der täglichen Diskussion geht es oft vor allem um soziale Leistungen. Über Erfolge wird wenig gesprochen. Wir haben uns nicht genug damit auseinandergesetzt, was der Sozialismus hinterlassen hat. Die Arbeitslosigkeit ist das Ergebnis sozialistischer Misswirtschaft.

Wird die Finanzkrise die antikapitalistische Stimmung, die Sie kritisieren, verschärfen?

Wir müssen herausarbeiten, dass die soziale Marktwirtschaft das Zukunftsmodell ist, nicht die sozialistische Planwirtschaft. Was passiert, wenn Sie das Spiel der Kräfte außer Acht lassen, sehen Sie heute noch in manchen Ländern, etwa in Nordkorea.

Ihre Parteifreunde in Berlin reden nicht von freien Kräften, sondern von Regulierung.

Das bedeutet aber nicht, den Markt außer Kraft zu setzen. Es geht um konkrete Kontrollmängel, die beseitigt werden müssen. Nicht um das ganze System.

Ihr Ost-Antrag für den Parteitag handelt mindestens zur Hälfte von der DDR-Vergangenheit. Können Sie damit noch Wähler mobilisieren?

Wir haben uns zwanzig Jahre lang mit den Gegenwartsproblemen der neuen Länder beschäftigt. Jetzt ist es Zeit, sich endlich auch mit dem System auseinanderzusetzen, das für diese Probleme verantwortlich ist.

Ist es auch Zeit, sich mit der Rolle der DDR-CDU auseinanderzusetzen? Dazu findet sich in Ihrem Antrag kein Wort.

Schon als der Antrag im Parteivorstand vorgestellt wurde, habe ich darauf hingewiesen, dass wir zu diesem Thema noch einen Passus einfügen werden.

Das taten Sie freiwillig?

Ja, darauf lege ich Wert.

„Perspektiven für den Osten Deutschlands“ war der sogenannte Perspektivkongress der CDU am Freitag in Dresden überschrieben. Wortgleich titelt der zur Debatte stehende Antrag für den Bundesparteitag im Dezember. Im Grunde geht es dabei um die Perspektive der Union als Partei im Osten Deutschlands. Das Meinungsforschungsinstitut Emnid bescheinigt der CDU nur noch 23 Prozent Stimmenanteil in den Beitrittsländern. Der Osten sei bei Bundestagswahlen „das Zünglein an der Waage“, warnte Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich und mahnte die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit an. Das Antragspapier beschäftigt sich mit der DDR-Vergangenheit und der Wiedervereinigung, ohne die CDU als DDR-Blockpartei zu erwähnen. In den entscheidenden Fragen des Aufholprozesses Ost setzt die Union weiterhin auf die bekannten Instrumente Solidarpakt, Investitionszulage und Gemeinschaftsaufgabe. Mindestlöhne werden abgelehnt, die CDU plädiert für eine „weitergehende Öffnung der Tarifverträge“. miba

Was könnte darin stehen?

Dass die CDU zwangsweise gleichgeschaltet wurde, dass aber viele aufrechte Freunde die Idee der christlichen Demokratie wachhielten. Als jemand, der in keiner Partei Mitglied war, sage ich: Die Mitglieder der sogenannten Blockparteien bekundeten auch durch ihre Mitgliedschaft eine Distanz zur SED.

Auf kommunaler Ebene arbeitet die CDU oft gut mit der Linkspartei zusammen. Warum schließt Ihr Antrag jede Kooperation aus?

Wir wollen mit der Linken nicht zusammenarbeiten, wir wollen uns mit ihr auseinandersetzen. Das tun wir auch.

In Ihrem Antrag nennen Sie rechtsradikale und linksradikale Parteien in einem Zug. Gibt es keinen Unterschied?

Selbstverständlich gibt es Unterschiede. Dennoch hat die Linkspartei offenkundig ein Problem damit, sich klar vom Linksextremismus abzugrenzen.