herr tietz macht einen weiten einwurf
: FRITZ TIETZ über die sportliche Note des Folterns

Ohrenquetschen mit Hodentreten

Fritz Tietz ist 44 Jahre alt, lebt als Nachfahre ostpreußischer Einwanderer in der Nordheide und treibt gelegentlich (gewaltfreien) Sport.

Die fatale Frankfurter Folteraffäre hat, obschon unter diesem Gesichtspunkt bisher wenig beleuchtet, durchaus auch einen sportlichen Aspekt. Denn schließlich war es ein Kampfsportler, den Frankfurts Folteroberbefehlshaber, Polizei-Vizechef Wolfgang Daschner, extra bestellt und sogar eigens aus dem Urlaub abberufen hatte, um mit dessen foltertechnischer Hilfe dem mutmaßlichen Kindesentführer Magnus G., so formulierte das Daschner, „durch einfache körperliche Einwirkung, zum Beispiel durch Überdehnen eines Handgelenkes, Schmerzen zuzufügen“ und also den Schmerzempfänger zum Singen zu bringen, wie man ja wohl unter Kriminalern sagt. „Es gibt am Ohr bestimmte Stellen – jeder Kampfsportler weiß das – wo man drauf drückt und es tut weh, es tut sehr weh, ohne dass eine Verletzung entsteht“, beschrieb Daschner sehr anschaulich eine weitere Leibesübung, die dieser fabelhafte Sportsmann und überdies „ganz normale Polizeibeamte“ an Magnus G. vollführen sollte; wozu es dann allerdings nicht kam: Magnus G. reichte schon die Ankündigung der angedrohten Folter, um ganz schnell auszupacken.

Die absonderliche Qualifikation seines ominösen Kampfsportkameraden war Daschner offenbar bestens bekannt. Nicht umsonst wollte er exklusiv nur diesen Experten für den unappetitlichen Folter-Job haben. Wie aber konnte er von dessen ausgesuchten Fähigkeiten wissen? Doch wohl nicht etwa durch eine möglicherweise längst übliche Folterpraxis im Verhörwesen der Frankfurter Polizei? Oder hat sich Daschner die Schmerz erzeugenden Talente seines Folterknechtes am eigenen Leib demonstrieren lassen, ehe er ihn zur beabsichtigten Aussageerpressung herbeibeorderte? Die detaillierten Beschreibungen, die der Vize-Polyp von einigen Folterschmerzen abliefert, könnten diesen Schluss nahe legen. Neben den Qualen, die von überdehnten Handgelenken und gequetschten Ohren herrühren, weiß er auch anderweitig nur zu gut, was effektiv wehtut: „Sie brauchen jemandem nicht fürchterliche Schmerzen zufügen. Es genügt, wenn ein relativ geringer Schmerz für eine bestimmte Zeit aufrechterhalten wird“, plaudert er gleichsam wie aus dem eigenen Folterkellerchen.

Daschner hebt übrigens die signifikante Eignung seines Handlangers hervor, indem er ausdrücklich auf die „Übungsleiterlizenz des Deutschen Sportbundes“ hinweist, die sein Kampfsportler besitze. Natürlich fragt man sich da, wie wohl die Übungen aussehen, die ein Übungsleiter des Frankfurter Polizeisportwesens anzuleiten hätte. Vielleicht so: Mit ein paar umschichtig verabreichten Ohrfeigen zum Warmmachen geht das möglicherweise los. Anschließend gilt es, sich gegenseitig die Handgelenke zu überdehnen, und dann trainiert man die neuesten Ohrenquetschtechniken. Obligatorisch dürften auch die Übungen „kurze Nackenschläge“ vulgo „Kopfnüsse“ sowie „ansatzloses Hodentreten“ sein; alles aber selbstverständlich unter der strengen Maßgabe, dass dabei keine Verletzungen entstehen.

Der mentale Schliff kommt natürlich ebenfalls in keiner Trainingseinheit zu kurz. Schließlich bedarf es, um ein vor Schmerzen schreiendes Folteropfer ausdauernd piesacken zu können, einer gewissen psychischen Stärke und einigermaßen dicken Haut. Schmerzgrenzen überwinden, heißt hier das Übungsziel. Dann endlich geht’s in die Folterkammer zum Praxistest, sowohl mit als auch ohne Fesseln, ehe schließlich die Übungseinheit mit einem Fußballkick locker ausklingt, bei dem allerdings – ist klar – möglichst ausgiebig auf Foul gespielt wird.

Um der insgesamt als eher heikel einzustufenden Folteraffäre vielleicht auch etwas Positives abzugewinnen, will ich es zuletzt nicht versäumen, auf einen weiteren sportlichen Aspekt hinzuweisen: Denn offenbar ist doch jenem polizeibeamteten Kampfsportler gelungen, was unsereinem selten gelingt. Ihm nämlich scheint es immerhin möglich, die Freuden seines Sports zumindest gelegentlich auch im Berufsalltag auszuleben.