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Der Schulhof der Friedensstifter

Kanzler Schröder eröffnet heute Westafrikas größtes Trainingszentrum für Friedenstruppen. Für alle Eventualitäten gibt es darin auch eine Fahrschule

AUS ACCRA HAKEEM JIMO

Kofi Annan ist ein Superstar in seiner Heimat Ghana. In Öl gemalte Porträts von ihm stehen an unzähligen Ecken der Hauptstadt Accra zum Verkauf. Auch im neuen Trainingszentrum für Friedenseinsätze begegnet einem das Konterfei des UN-Generalsekretärs – als Bildschirmschoner. Es heißt „Kofi Annan International Peacekeeping Training Centre“ (KAIPTC) und wird heute offiziell von Bundeskanzler Gerhard Schröder eröffnet.

Die Ausbildungsstätte wurde fast gänzlich mit Geld aus Deutschland gebaut: 3 Millionen Euro. Dafür steht nun ein halbes Dutzend einstöckiger Häuser an der Küste des Atlantischen Ozeans, die gleichermaßen an Kasernen erinnern wie an Seminargebäude. Das Hellblau an den Wänden strahlt in der tropischen Sonne. Mit der UNO-Farbe erhoffen sich die Verantwortlichen auch ein Engagement der Vereinten Nationen, die bislang nicht am Projekt beteiligt sind.

Federführend beim Aufbau des Zentrums war ein deutscher Offizier. Oberstleutnant Klaus Eckhardt, Leiter der Bundeswehr-Beratergruppe, wird zunächst auch die Geschäftsführung übernehmen. „Wir wollen den Zusammenhalt der westafrikanischen Länder bei konflikteindämmenden Missionen fördern“, erklärt er die Philosophie des Projekts. „Damit entlasten wir auch Streitkräfte aus westlichen Ländern, die dann nicht mehr für Einsätze in der Region gebraucht werden.“ Vom Kanzlerbesuch erhofft sich Eckhardt genaueren Aufschluss, in welchem Rahmen künftig deutsches Engagement und Finanzierung liegen.

Das Trainingszentrum ist ein gemischt militärisch-ziviles Projekt. Für Soldaten, Polizisten, aber auch Mitarbeiter von Hilfsorganisationen oder Staatsbedienstete steht die Peacekeeping-Akademie offen. In zwei- bis vierwöchigen Kurse sollen Kenntnisse für Friedensmissionen in Konfliktgebieten vermittelt werden. Pro Jahr werden 500 bis 800 Teilnehmer aus ganz Afrika erwartet, vor allem aber aus dem Westen des Kontinents. Ein Beraterstab aus deutschen, britischen und bald auch französischen Offizieren spielt die Rolle des Vorstands, auch Ghana hat Offiziere abgestellt. Aber nicht nur Militärs gehören zu den Ausbildern. Im ersten Jahr wird das „Pearson Peacekeeping Institute“, eine zivile Einrichtung aus Kanada, den Großteil der Kurse geben.

Eine Gruppe hat bereits eine Schulung beendet. Kwabena Appiah Kubi, ehemals Ingenieur in der ghanaischen Luftwaffe, heute in der Abteilung für Konfliktvermeidung und -management im ghanaischen Außenministerium, ist begeistert von dem Kurs „Disarmament, Demobilisation and Reintegration“ – Entwaffnung von Bürgerkriegskämpfern und ihre Reintegration in die Gesellschaft sind bei Friedensmissionen inzwischen die zentralen Themen. „Ich habe viel Neues gelernt und würde es gerne in die Praxis umsetzen“, sagt Kwabena. Ausgesprochen beeindruckt hat ihn die Technik des „Einkasernierens“ für die Demobilisierung. Sie beginnt mit der Einrichtung eines Lagers, in dem alle Demobilisierungskandidaten eine stabile Wohnsituation bekommen. In einem solchen Camp kann dann eine Interventionsmacht die Kontrolle ausüben und Frieden stiftende Maßnahmen einleiten. Wie, das lernen die künftigen Friedensstifter im Kofi-Annan-Zentrum. So müssen sie als Erstes die geografischen Gegebenheiten ihres Einsatzgebiets kennen lernen, um einschätzen zu können, wo Demobilisierungslager überhaupt sinnvoll sind.

Aber auch das tägliche Leben und Arbeiten in Krisengebieten will vorbereitet sein. Deswegen gibt es einen Minenschutzkurs – und eine Fahrschule. Denn 80 Prozent der Unglücksfälle bei Friedensmissionen ereignen sich im Straßenverkehr. Auch an ein ziviles Friedensforschungsinstitut werde schon gedacht, sagt Oberstleutnant Klaus Eckhardt. Um Fragen nachzugehen, wie etwa traditionelle Herrscher in Friedensprozesse eingebunden werden können. Oder um Erfahrungen aus den Krisen in Ruanda oder in Elfenbeinküste fruchtbar zu machen.

Mit seiner technischen Ausstattung – ein Glasfasernetz im Camp und eine Satellitenverbindung – ist die Peacekeeping-Akademie einmalig in Westafrika. Zwar schult das französische Militär schon in der malischen Stadt Kati einfache afrikanische Friedenssoldaten, aber mit weitaus geringeren Möglichkeiten – ebenso wie in Nigerias Hauptstadt Abuja, wo ebenfalls schon ein Trainingszentrum existiert. Nigeria als Großmacht der Region stellt bei fast jeder militärischen Friedensmission in Westafrika mit rund 80 Prozent der Soldaten den Löwenanteil. Um nicht ganz den Anschluss an die Nigerianer zu verlieren, wurde das Friedenstrainingszentrum in Ghana angesiedelt. Die ghanaische Armee stellte seit 1960 etwa 80.000 Soldaten für Friedenseinsätze in aller Welt.

„Friedensmissionen sind zu einem Geschäft geworden“, sagt Oberstleutnant Eckhardt. Bei Soldaten aus ärmeren Länder stehen UN-Einsätze ganz oben auf der Beliebtheitsskala, weil sie viel mehr Sold einbringen als der einfache Dienst in der Heimat. Und für die Hilfswerke bedeutet Präsenz in einem Krisengebiet nicht selten Profilierung im Wettbewerb um Spenden.

Vielleicht ist UNO-Chef Kofi Annan der Rummel um seine Person in seiner Heimat einfach zu viel geworden. Er sagte seine Teilnahme an der Eröffnung kurz vorher ab. Aber die Ghanaer wollen ihre Ehrungen nicht Kofi Annan allein vorbehalten. Sie fragten bei den Deutschen an, ob eine Nebenhalle der Anlage „Gerhard Schröder“ getauft werden dürfe. Die Antwort aus dem Kanzleramt war knapp: Eine solche Ehre überlasse man den Toten.

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