Wie einst Lilli Marleen

Der Bremerhavener Weltstar Lale Andersen hätte an diesem Sonntag Geburtstag gefeiert. Die taz traf ihren größten Fan, der fast alles über die Schlagersängerin weiß – und auch fast alles erzählt

„Lale, Lale, Lale, immer nur Lale“, sagt Lühring, „ich habe sie ein Leben lang geliebt“

taz ■ Über das Alter einer Dame spricht man nicht. Bernd Lühring will weder sein eigenes Geburtsjahr noch das von seiner großen Liebe Lale Andersen verraten. Ob sie nun 1905 oder schon 1900 geboren wurde – „Hach, man muss ja nicht immer alles so genau wissen“.

Nur eine einzige Zahl gibt er preis: Vier Jahre alt war er, als er an der Hand seiner Mutter die Sängerin zum ersten Mal gesehen hat. In den 50er Jahren muss das gewesen sein, auf Langeoog, wo Lühring aufgewachsen ist und Lale Andersen ein Ferienhaus hatte. Zwei Jahre nach dieser ersten Begegnung hat Lühring sich zusammen mit anderen Kindern getraut, die Andersen in ihrem Ferienhaus zu besuchen und um sein erstes Autogramm zu bitten.

Seit diesem Tag verehrt Lühring die Chansonsängerin, die mit Mitte 20 ihre Heimatstadt Bremerhaven und ihre drei kleinen Kinder hinter sich ließ, um in der Hauptstadt Berlin Karriere zu machen – und 1939 mit „Lilli Marleen“ weltberühmt wurde.

Lühring weiß alles über sie. Er hat ihre Fernsehauftritte verfolgt, sie auf Konzerten bewundert. Und jedes Mal, wenn sie auf Langeoog zu Besuch war, ist er zu ihr mit seinen neuen Platten. Zum Signieren. „Bernilein“ und „Berndchen“ hat sie ihn genannt. Auf einem Cover steht: „Meinem treuesten und hübschesten Fischer von Langeoog“.

Im August 1972 hat er sie das letzte Mal gesehen, am 29. starb sie an Leukämie. Lales Tod habe er bis heute nicht verwunden, sagt Lühring. Aber seine leidenschaftliche Verehrung sei danach noch intensiver geworden. Als wäre er dabei gewesen erzählt der Fan, wie Lale Andersen sich in den Berliner Bohème-Cafés der 30er aufgewärmt hat – und wie ihre Künstlerkollegen sie getröstet haben, weil ein Theaterdirektor Lales Stimme furchtbar fand. „Dann hat sie bitterlich in ihren Pfefferminztee geweint“, sagt Lühring. „Was anderes konnte sie sich ja gar nicht leisten.“ Oder er erzählt, dass sie zur Hausfrau und Mutter nicht geboren war. Und: „Berndchen, wenn es die Pille gegeben hätte, wäre ich kinderlos geblieben.“

„Stundenlang könnte ich von ihr erzählen“, sagt er und seufzt. Manchmal telefoniert er mit Andersens früherer Sekretärin und Frisörin, „der Waltraud“. Die beiden tauschen am Telefon Erinnerungen aus – bis ihm der Arm schmerzt, denn Lührings Telefon ist ein Nachbau der alten schwarzen Apparate, mit Hörern, so schwer, dass man nach kurzer Zeit die Seite wechseln muss. Das Telefon passt zu den antiken Möbeln aus dunklem Holz, mit denen Lühring seine winzige Bremer Zwei-Zimmer-Wohnung eingerichtet hat. Zwei Lampen hat er von Lale geerbt und an einer Wand – in der Ecke des Wohnzimmers, in der auch die CDs, Schallplatten und Bücher ihren Platz haben – hängen nur Fotos von seinem Star.

„Lale, Lale, Lale, immer nur Lale“, sagt Lühring, „ich habe sie ein Leben lang geliebt“. Freunde werfen ihm vor, er würde vor lauter Lale selbst zu kurz kommen. „Es stimmt ja auch, eine Beziehung habe ich nie aufbauen können.“ Aber niemand hat ihn je so fasziniert wie Lale Andersen. „Sie war einzigartig und sie gekannt zu haben ist ein Schmuckstück“, sagt Lühring. „Sie war zeitlos. Diese Taille!“ Und sie hatte diese unverwechselbare Stimme, tief, ein wenig rau, die so gut zu den Seemannsliedern passt wie „Ein Schiff wird kommen“.

Lührung trägt es vor – in Jeans und Sweatshirt und Lale-Andersen-Timbre. „Ich bin ein Mädchen aus Piräus und liebe den Hafen, die Schiffe und das Meer. Ich lieb‘ das Lachen der Matrosen, ich lieb‘ jeden Kuss, der nach Salz schmeckt und nach Teer.“ Er trifft jeden Ton. Auch Lales Posen beherrscht er. „Und dann hat sie sich so an die Bank gelehnt“, sagt er, fährt sich durch die Haare und singt gleich weiter. „Und dieser Gang! Hach!“ Bisher singt er nur für sich alleine, aber eine Bekannte hat ihm geraten, doch einmal aufzutreten. Die Vorstellung gefällt ihm, aber er brauche noch jemand, der ihm den Schubs auf die Bühne gibt und einen Auftritt für ihn organisiert. Und dann wird er singen von unerfüllten Sehnsüchten und doch wieder nur für Lale: „Ein Schiff wird kommen, und meinen Traum erfüllen und meine Sehnsucht stillen, die Sehnsucht mancher Nacht.“ Eiken Bruhn