Fidel Castro knebelt Gegner

Kubas Regierung verhängt nach Geheimprozessen drakonische Strafen gegen zahlreiche Dissidenten, unabhängige Journalisten und Menschenrechtler. Heftige internationale Kritik

von KNUT HENKEL

Unter weitgehendem Ausschluss der nationalen wie internationalen Öffentlichkeit sind am Montag die letzten Prozesse gegen die knapp achtzig kubanischen Dissidenten, die Mitte März festgenommen wurden, zu Ende gegangen. Selbst die Vertreter von Botschaften hatten keinen Zugang zu den Gerichtssälen. In denen wurde ein Exempel gegen die Opposition des Landes sanktioniert. Elizardo Sanchéz, prominenter Vertreter der „Kubanischen Kommission für Menschenrechte und nationale Versöhnung“, kritisierte die verhängten Höchststrafen als „politischen Fehler der Regierung“. Der zentrale Widerspruch liege nicht zwischen der Regierung und den Dissidenten, sondern zwischen einem totalitären Modell und einer Gesellschaft, die mehr Freiräume wünscht, so Sanchéz gegenüber Nuevo Herald in Miami.

Die Haftstrafen liegen zwischen 12 und 27 Jahren. So erhielt Héctor Palacios, einer der Repräsentanten des Proyecto Varela eine Haftstrafe von 25 Jahren. Raúl Rivero, ein international bekannter Journalist und Leiter der Nachrichtenagentur Cuba Press, wurde zu 20 Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach Ansicht von dessen Frau, Blanca Reyes, kommt die Strafe einem Urteil auf „lebenslänglich“ gleich, denn Riveros Gesundheit ist schwer angeschlagen.

Das trifft auch für andere Dissidenten zu, die zu langen Haftstrafen verurteilt wurden. So zum Beispiel für die Wirtschaftswissenschaftlerin Martha Beatriz Roque. Deren Vergehen ist das Verfassen einer Studie zur wirtschaftlichen Situation mit zahlreichen Vorschlägen für politische und wirtschaftliche Reformen. Dafür saß die Ökonomin bereits drei Jahre in Haft. Nun ist sie erneut verurteilt worden – zu 25 Jahren in ihrer Funktion als Repräsentantin des Parlaments zur Stärkung der Zivilgesellschaft. Ursprünglich drohte ihr eine lebenslange Haftstrafe wegen Konspiration mit dem Feind. Sie hatte den Leiter der US-Interessenvertretung in Havanna, James Cason, in ihr Haus eingeladen und sich wiederholt für einen friedlichen Übergang in Kuba ausgesprochen.

Insgesamt wurden 77 Urteile gesprochen. Die drakonischen Strafen werden von den wenigen verbleibenden prominenten Dissidenten in Kuba schockiert kommentiert. Für die US-Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ sind die Strafen ungerechtfertigt und nicht zu vertreten. Angeklagten wie Raúl Rivero wurde keine Zeit eingeräumt, sich mit seinem Anwalt zu treffen, um eine Verteidigungsstrategie zu vereinbaren. Für „Reporter ohne Grenzen“ ist das Urteil gegen Rivero und die zahlreichen anderen Journalisten „stalinistisch“.

Die kubanische Regierung scheint die harsche internationale Kritik jedoch in Kauf zu nehmen. Die Urteile sollen allem Anschein nach abschrecken. Nicht nur die Opposition, die in den letzten Jahren gewachsen ist, sondern wohl auch die innerhalb der Regierung und der Kommunistischen Partei vorhandene Reformströmung.

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