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: Keine Nachkriegsordnung in Sicht: So wird der Irak nicht zum Modell

In der rhetorischen Begleitung des Irakkrieges durch die Regierungen der USA und Großbritanniens tut sich ein seltsamer Widerspruch auf. Einerseits ist der Sieg angeblich schon so gut wie sicher, und es wird spekuliert, ob Saddam Hussein überhaupt noch am Leben ist. Andererseits bleiben die Nachkriegspläne für den Irak völlig vage. Der Umsturz ist im Gange, aber es ist kein Ergebnis in Sicht.

 Meistens gibt es beim Sturz eines Diktators Rebellenführer oder Exilanten, von denen es so schön heißt, sie warteten in den Kulissen. Die Bühne leer lassen – das geht nicht. Der kluge Regimewechsler muss ja nicht nur jemanden beseitigen, sondern auch etwas an dessen Stelle setzen. Doch wie soll das im Irak aussehen? Spielen die paar hundert leicht bewaffneten Kämpfer des „Irakischen Nationalkongresses“ im Süden etwa politische Avantgarde? Beerben die traditionellen Führer, die in Basra mit dem britischen Militär paktieren, den Baath-Partei-Apparat? Glaubt jemand ernsthaft, die militärisch marginalisierten Kurden würden die Politik bestimmen dürfen? Man muss schon große Fantasie entwickeln, um aus Tony Blairs Hin und Her zwischen einer „voll repräsentativen“ und einer „breit repräsentativen“ irakischen Nachkriegsverwaltung politische Schlüsse zu ziehen. Und ob es geheime Verhandlungen mit hohen Militärs gibt, wie zuweilen vermutet, bleibt offen.

 „So bald wie möglich“ soll der Irak an eine irakische Interimsverwaltung übergeben werden, versprachen Blair und Bush gestern und sagten der UNO eine „vitale“ Rolle zu. Das kann alles heißen: ein sofort einzusetzender Übergangsregent in Bagdad; eine jahrelange US-Militärverwaltung; autonome lokale Führer mit ausländischer Schutzmacht; eine gesamtirakische Nationalkonferenz, ähnlich wie einst für Afghanistan auf dem Petersberg; ein UN-Beauftragter mit oder ohne Macht. Klarheit gibt es nicht.

 Nicht mal für den Irak haben die mutmaßlichen Siegermächte offensichtlich einen „Fahrplan“ in der Tasche. Blair ist also ziemlich unglaubwürdig, wenn er vorgibt, einen solchen für die nach dem Irak gewünschte Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts zu besitzen – genau wie die US-Konservativen, die Regimewechsel in anderen nahöstlichen Autokratien fordern. Wer fürchtet – oder hofft –, dass der Sturz Saddams als Vorbild für die Neuordnung der arabischen Welt oder für den Sturz von Diktatoren anderswo dienen könnte, darf sich eines Besseren belehren lassen: So wird der Irak kein Modell. DOMINIC JOHNSON