: Luxus oder „Jetzt erst recht“?
Supervision in Beratungsstellen, Coaching in Unternehmen: Wenn das Geld knapp wird, steigt die Belastung für die MitarbeiterInnen, Beratung ist dringender notwendig, denn je. Ob das Geld dafür vorhanden ist, ist die Frage
„Gerade in Zeiten der Knappheit wird die Belastung größer, so dass bestehende Beratungsangebote stärker genutzt werden“, sagt Bodo Kupfer, Supervisor und Ansprechpartner der Regionalgruppe Weser-Ems der Deutschen Gesellschaft für Supervision (DGSv). „So lange es die Beratungsangebote noch gibt“, möchte man dahinter hängen. Dass mit Sparzwänge der Druck auf MitarbeiterInnen steigt, egal ob in einer sozialen Einrichtung, oder in einem Wirtschaftsunternehmen, liegt auf der Hand. Aber der Bedarf ist nur die eine Seite. Möglicherweise stehen Supervisions- oder Coachingangebote als „Luxus“ ganz oben auf den Sparlisten?
Beispiel Rat und Tat-Zentrum für Lesben und Schwule in Bremen: Annette Mattfeld aus der dortigen AIDS-Beratung erinnert sich, dass das Zentrum früher einmal einen eigenen Etat für die Supervision seiner BeraterInnen von der Sozialsenatorin bekommen hat. „Aber das war vor der ersten Streichwelle.“ Heute bekommt das Zentrum nur noch Zuschüsse aus dem Haus der Gesundheits- und Sozialsenatorin, muss aber auch einen Teil selbst erwirtschaften, etwa über Parties oder Spenden. Fairer weise müsse man sagen, dass nicht gezielt die Supervision als „Luxus“ für die BeraterInnen gestrichen worden sei, stellt Bernd Thiede klar. Das Geld reiche einfach insgesamt nicht mehr. Bisher gelingt es dem Zentrum, seinen MitarbeiterInnen dennoch dieses Betreuung zu finanzieren, denn: „Beratungsarbeit ohne Supervision ist einfach unprofessionell“, stellt Mattfeld klar.
Einen eigenen Supervisionsetat hatten das Bremer Frauenhaus oder das Mädchenkulturhaus in der Heinrichstraße noch nie. „Dabei wäre es bei der interkulturellen Arbeit, die wir hier leisten gerade wichtig, auch Supervision zu bekommen“, sagt Songül Orucoglu. Fakt ist, dass sie im Haus eine einzige Supervision erlebt hat, als das Team kurz vor dem endgültigen Aus stand. Das Geld hatten die Mitarbeiterinnen „überall her zusammengekratzt“. Heute müssten sie eine Supervisorin privat finanzieren.
Der Supervisor Kupfer hat beobachtet, dass in vielen Einrichtungen, in denen noch eine regelmäßige Supervision stattfindet, die Frequenz abgenommen habe, von vierzehntägigen Treffen zu einem einmonatigen Rhythmus. „Aber gar nicht mal wegen der Kosten, die der Supervisor verursacht, sondern weil die Arbeitszeitressourcen knapper werden.“ Die Angestellten haben keine Zeit mehr für Selbstrefelxion.
Ausgerechnet bei den Bremer Stahlwerken sieht es besser aus: Die müssen einerseits 1.700 der 4.800 Arbeitsplätze abbauen, weil die Hütte im Weltkonzern Arcelor nicht wirtschaftlich genug arbeitet. Andererseits wird gleichzeitig in einem Bereich zusätzlich Geld ausgegeben: In der Abteilung Weiterbildung, Bereich Coaching. „Früher gab es Coaching, wenn die Nachfrage bestand“, sagt Jürgen Jander, aus der Weiterbildungsabteilung. Gerade jetzt würde das Coaching-Angebot ausgebaut, inklusive der Thematik „Trennungsgespräche“. Denn die müssen einige Führungskräfte des Unternehmens demnächst gehäuft führen. Harter Tobak, der auch „harten“ Managern an die Nieren gehen kann. Noch wäre die Nachfrage nach dem umfangreicheren Beratungsangebot „etwas zögerlich“, sagt Jander. Er rechnet aber damit, dass sich das schlagartig ändern wird, wenn es ernst wird mit den reihenweisen Entlassungen. Die, die ihren Job verlieren, haben allerdings nicht viel davon, dass ihre Vorgesetzten psychologisch versorgt sind.
Ulrike Bendrat