: Der Kartoffelheld
Sind so kleine Töne: PeterLicht schreibt simple Kinderlieder für Erwachsene. Dass er weiter anonym bleibt, nährt die Spekulationen um seine Person
von THOMAS WINKLER
Kinder mögen PeterLicht. Das ist kein Wunder. In seinen Liedern kommen Flugzeuge vor, Antilopen und Termiten, und dazu trödelt die meistenteils programmierte Musik wie ein verträumter Grundschüler auf dem Nachhauseweg. PeterLicht, so scheint es, ist ein großes Kind.
Falsch. Für sein neues Album „Stratosphärenlieder“ ist er ein Kartoffelmännchen. Vor zwei Jahren, da war er noch ein Bürostuhl, der verkehrt herum durch den Videoclip zu „Sonnendeck“ flog, seinem ersten kleinen Hit.
„PeterLicht ist eine Figur, die nicht verfügbar sein will“, sagt PeterLicht. Man darf mit ihm sprechen, aber nur übers Telefon. Er hält seine Identität geheim, und so verschluckt sich die Öffentlichkeit momentan am Kartoffelmännchen.
„Ich möchte“, sagt die Stimme am anderen Ende der Leitung, „dass die Musik ihre eigenen Bilder produzieren kann.“ Mit Hilfe dieser Strategie, die ihr Urheber „gar nicht so super strategisch“ findet, hat PeterLicht nun eine mediale Aufmerksamkeit für sein „Projekt“ geschaffen, die nun allerdings vornehmlich um seine verhüllte Identität kreist.
Tatsächlich gibt es nun schon seit Jahren allerlei Spekulationen, wer sich hinter dem Pseudonym verbergen möge. Dass er in Köln lebt, gilt als relativ gesichert. Inder soll der Künstler angeblich sein, oder aus der Schweiz kommen. Einmal, aber nur ganz kurz, kam gar das Gerücht auf, er sei verunstaltet.
Jeder, mit dem man spricht, hat eine eigene Information zu PeterLicht, und jeder eine andere. Aber schließlich, hat das Vexierbild erkannt, sind „diese Spekulationen eigentlich ganz schön“. Er sei ja auch nicht der Einzige, der so arbeitet, sagt er und zählt die Beispiele auf, „von Kiss über die Residents bis zu Daft Punk“.
Nun braucht man aber doch ein irgendwie geartetes Erscheinungsbild, um medial präsent zu sein. Also begab sich das Kartoffelmännchen in den vergangenen Wochen auf Tournee durch bundesdeutsche Großstädte. Dort wurden vor Publikum so genannte Hörseminare veranstaltet. Die Gäste durften dort die neue Musik von PeterLicht hören, basteln und einem Abgesandten des Künstlers beim Vortrag lauschen. Und: fleißig weiterspekulieren.
Dabei sind es gar nicht die Spekulationen, welche die Menschen glücklich machen, sondern die Lieder. Leise wie eine Libelle flattert die Elektronik durchs Songs wie „Blaues Blau“ oder „Klappergrasmücke“ und Gitarren zirpen wie verschüchterte Grillen. Die Liebe findet ihre Opfer „an einem hundsgewöhnlichen Safarinachmittag“, und manches Lied klingt wie vom belatzhosten Peter Lustig verfasst.
Für die einen sind es Kinderlieder für Erwachsene, für die anderen ist es intelligente Popmusik für alle Altersstufen. Manchmal, aber nur selten, wird das Schmunzeln auch zu einem befreiten Lachen: In „Die Geschichte vom Sommer“ beispielsweise, die mit der Refrain-Zeile „Halleluja, Sushi Sushi Bäng-Bäng, Gongo, das ist der Sommer“ und solch sinnigen Amüsement-Vorschlägen wie „Skateboards zeugen, Augäpfel piercen“ das Potenzial zum Faschingsfetenschunkelhit hätte.
Ansonsten aber, also meistens, ist PeterLicht „befasst mit menschlichen Dingen, weil das nahe liegt“. Und so, wie er das singt, muss man das erst mal singen können. Eher sprechen nämlich: So, dass es weder distanziert ironisch klingt noch peinlich berührend. Zielsicher findet der offenbar missgestaltete, indische Wahl-Kölner aus der Schweiz damit „diesen Oszillationspunkt, wo Kitsch entsteht und auch wieder kein Kitsch entsteht“.
Dort, an diesem Nullpunkt, mag dann Musik entstehen, die niemandem wehtun möchte. Aber ganz falsch kann das ja nicht sein. Sind so kleine Töne. Kein Wunder, dass sich gerade Kinder hier wiederfinden. Große wie kleine.
PeterLicht: „Stratosphärenlieder“