: „Wie ein kleines, künstliches Pflänzchen“
Hochschulforscher Ulrich Teichler hält die Elitenschmiede ESMT für keinen großen Beitrag zur Elitenförderung. Der Grund: Privatunis bedienen billige Fächer wie BWL, wichtig seien aber Disziplinen wie Ingenieurswissenschaften
taz: Heute wird der neuen Berliner European School of Management and Technology der Schlüssel zu ihrem Hauptsitz in Berlin übergeben. Welche Impulse wird eine so elitäre Privathochschule der deutschen Hochschullandschaft geben können?
Ulrich Teichler: Die Etablierung einzelner Institutionen dieser Art ist zu geringfügig, um nun wirklich große Impulse zu geben. Nur 3 Pozent der Studierenden sind an privaten Institutionen höherer Bildung eingetragen, mitgezählt sind dabei die in privater Trägerschaft, aber öffentlicher Finanzierung.
Sind solche privat finanzierten Universitäten, wie es sie in den USA gibt, das Erfolgsrezept für die Zukunft?
Nein, bislang haben sich solche Finanzierungen als sehr mühsam erwiesen. Bei einigen wurde der Staat dann doch stark zur Kasse gebeten. Das wirkt eher wie ein kleines, künstliches Pflänzchen. In der Diskussion hört sich das Wort „privat“ oft so an, als ob es sich um eine bessere und qualifiziertere Ausbildung handelt. Im Allgemeinen – außer eben in den USA – ist es aber so, dass private Institutionen in puncto Qualität nicht besser dastehen. In den meisten Ländern löst man mit höheren Gebühren keinesfalls die Eintrittskarte zur besten Bildung, sondern sie sind eher eine „Blödheitssteuer“.
Was kann denn eine solche spezialisierte Privatuni besser machen als die Staatlichen?
Bei fast allen Projekten versuchen die Privaten internationaler zu sein, betreuungsintensiver und praxisnäher. Wenn man genügend Geld zur Verfügung stellt, ist das natürlich auch realisierbar.
Seit Wochen diskutiert Deutschland über Elitenförderung. Ist die ESMT dazu ein sinnvoller Beitrag?
Nein. Fast immer handelt es sich da, wo private Institutionen mit einem exklusiven Charakter geschaffen wurden, um billige Fächer. Also nicht Medizin, nicht Naturwissenschaften, nicht Technologie. An der ESMT findet ja kein Ausbrüten einer neuen Elite statt, hier wird nicht aus dem Durchschnitt der Studierenden etwas Herausragendes gemacht.
Gab es denn in anderen europäischen Ländern bedeutsame Impulse durch Privatisierungen im Hochschulbereich?
Nein, ich habe keine gesehen. Die Elitenbildung durch Universitäten, die gegenwärtig debattiert wird, wird sehr stark unter der Zielsetzung diskutiert, dass es im 21. Jahrhundert zunehmend auf technologische Umbrüche ankommt. Wir erwarten und brauchen neue Durchbrüche in den Ingenieurs- und den Naturwissenschaften.
Könnte denn ein Beispiel wie die ESMT Schule machen für diese innovationsfördernden Fächer?
Ich glaube nicht, dass Gründungen solcher Art der Durchbruch sind. Selbst wenn wir sagen, wir wollen nur für 10 Prozent der Studierenden einen Qualitätsschub durch bessere Bedingungen – selbst für dieses Ziel wäre ein solches Modell nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Sie glauben also nicht an die von Sponsoren finanzierte Elitenförderung?
Nein. In den nächsten Jahrzehnten sehe ich es nicht als wahrscheinlich an, dass wir rund 10 Prozent der Absolventen durch eine Mischung aus Sponsoring und Gebühren fördern können. Das halte ich für völlig unrealistisch.INTERVIEW: A. WOLTERSDORF