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Busfahrer in Leverkusen geben nicht auf

Seit Monaten kämpfen die Angestellten der privatisierten Leverkusener Verkehrswerke gegen Niedriglöhne

LEVERKUSEN taz ■ “Auf uns schaut ganz Nordrhein-Westfalen“, sagt Ahmet Tufekci, „wenn wir hier einknicken, wird sich keine Busbelegschaft mehr trauen, gegen niedrige Löhne zu streiken.“ Der Busfahrer hat sich seit dem 9. Januar nicht mehr ans Lenkrad gesetzt. Rund 80 BusfahrerInnen der Herweg Bus Betriebe (HBB) in Leverkusen streiken gegen Niedriglöhne. Seit drei Monaten – unverdrossen. In der vergangenen Woche hat ihre Gewerkschaft Ver.di nun auch bei anderen privaten Busbetrieben in Gummersbach und Hürth Warnstreiks durchgeführt.

Die Situation in Leverkusen ist kein Einzelfall. Die Europäische Union verlangt, den öffentlichen Nahverkehr zu liberalisieren. In Zukunft werden städtische Verkehrsbetriebe mit privaten Anbietern konkurrieren müssen. Um dem zu erwartenden Preiswettbewerb standzuhalten, betreiben viele Kommunen private Tochterfirmen, bei denen die FahrerInnen erheblich weniger verdienen als bei der städtischen Muttergesellschaft. In Leverkusen bekommen sie 30 Prozent weniger Lohn. Neues Personal wird nur noch bei der HBB eingestellt, die schon ein Viertel aller Fahrer stellt.

„Wir fahren länger und bekommen deutlich weniger Geld als die anderen Fahrer“, lässt Ahmet Tufekci Dampf ab. Der 32-Jährige verdient jetzt 1.100 Euro netto im Monat. Fast zehn Stunden sitzt er täglich auf dem Bock. Er hat weniger Zeit für Pausen als die KollegInnen der Muttergesellschaft Kraftverkehr Wupper-Sieg AG. Dazu der ständige Stress im Straßenverkehr. Ein Knochenjob. „Wir wollen nicht, dass es morgen heißt, ihr fahrt jetzt für acht Euro und morgen fahrt ihr für fünf Euro die Stunde“, sagt er.

Die FahrerInnen der HBB sind fast ausschließlich MigrantInnen. Sie haben schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. An ihnen werden die niedrigeren Löhne als erstes ausprobiert. Das Landesarbeitsgericht hat einen Solidaritätsstreik der FahrerInnen der städtischen Muttergesellschaft verboten.

Ver.di will mit dem Streik bei Firmen wie der HBB Fuß fassen. „Das Lohnniveau des öffentlichen Dienstes lässt sich nicht halten“, gesteht Gewerkschaftssekretär Peter Wittke. „Wir möchten einen Spartentarifvertrag einführen, der die Differenz zwischen dem öffentlichen Gehaltsniveau und dem sehr niedrigen privaten Lohnniveau ausgleicht“, so der Gewerkschaftssekretär. Die Belegschaft der öffentlichen Betriebe ist nicht überzeugt. „Würden wir dem zustimmen, dann hätten wir in einigen Jahren 20 Prozent mehr Lohnkosten“, erklärt Marc Kritkovski, Geschäftsführer der HBB. Da könne die Busfirma gleich zumachen. „Wir hätten keine Chance in einem Ausschreibungswettbewerb“, so der Chef.

Mittlerweile fahren in Leverkusen fast alle Busse wieder – mit Hilfe von Streikbrechern und kurzfristig angeworbenen Subunternehmern. Ioannis Metxanios glaubt allerdings nicht, dass es gelingt, den Streik auszubluten. „Es geht ums Prinzip“ betont er. „Wir streiken, damit in Zukunft nicht jeder Wettbewerber ankommen und die Löhne kaputtmachen kann.“

MILTIADIS OULIOS

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