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Duschen ist vorerst verboten

Zwei Rentnerinnen starben in Frankfurt (Oder) an der Legionärskrankheit. Den Erreger fingen sie sich in einer Klinik ein. Trotz neuer Warmwasseranlage haben sich die Bakterien schon öfter in dem Haus eingenistet. Die Staatsanwaltschaft ermittelt

von STEFFEN BECKER

Der Tod kroch wahrscheinlich aus dem Duschkopf. Am 5. und 9. Juli starben zwei 66 bzw. 73 Jahre alte Frauen im Klinikum Frankfurt (Oder) an der Legionärskrankheit, einer durch Bakterien hervorgerufenen schweren Lungenentzündung. Drei weitere Patienten erkrankten, befinden sich inzwischen aber auf dem Weg der Besserung. Von dem Klinikum lässt sich Letzteres nicht behaupten. Am 11. Juli ging bei der Staatsanwaltschaft eine anonyme Anzeige wegen fahrlässiger Tötung ein. Inzwischen ermittle die Behörde in sechs Todesfällen, sagt ihr Sprecher Ulrich Scherding. „Es gibt einen bisher sehr dünnen Anfangsverdacht. Wir können derzeit aber noch überhaupt nicht abschätzen, ob diese sechs Patienten tatsächlich an Legionellen gestorben sind und ob Klinikmitarbeiter eine Schuld trifft.“ Das sollen nun Experten untersuchen, die unter anderem die Krankenakten auswerten.

Aktuell bestehe keine Gefahr mehr, sagt Heinz-Dieter Walter vom städtischen Gesundheitsamt. Der Erreger überträgt sich nicht von Mensch zu Mensch, sondern gelangt über das Einatmen von feinst verteilten Tröpfchen, so genannten Aerosolen, in die Lunge. Nachdem die Klinik die Fälle gemeldet hatte, reagierte das Amt zunächst mit einem Duschverbot, die Klinikleitung ordnete an, dass die Warmwasseranlage hochgeheizt wird, das Wasser gechlort und spezielle Filter in den Duschen installiert werden. Außerdem nehmen die Mitarbeiter regelmäßig Proben.

Die jetzigen Fälle sind nicht die ersten in der kurzen Geschichte des Krankenhauses. Bereits Anfang Januar dieses Jahres erkrankten dort sieben Menschen an Legionellose. Große und verzweigte Wasserverteilungsanlagen sind zwar besonders der Legionellenbesiedlung gefährdet, da sich dort vermehrt wenig durchströmte Nischen finden. Andererseits wurde das Bettenhaus erst 2002 eröffnet. „Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich“, sagt Walter.

Zwischen 1994 und 2000 traten nach einer Studie der Technischen Universität Dresden bundesweit nur 25 Fälle von Legionellen-Infektionen in Krankenhäusern auf. Die Häufungen in Frankfurt stellen eine seltene Ausnahme dar.

Inzwischen hat das Brandenburger Gesundheitsministerium die Federführung bei der Aufklärung des Falles übernommen. Um den genauen Weg des Erregers in die Warmwasseranlage des Klinikums nachzuzeichnen, hat das Ministerium Spezialisten des Umweltbundesamtes und des Robert-Koch-Institutes um Hilfe gebeten. Die drei Experten werden die Anlage genau unter die Lupe nehmen – wie ist sie gebaut, was wurde saniert. „Für Legionellenbefall kann es viele Ursachen geben“, sagt Karsten Klenner, Leiter des Präsidialbereiches im Bundesamt. Seine Kollegen werden viel zu tun haben.

Bereits jetzt steht fest, dass es sich um eine besonders aggressive Form des Erregers handelt. In der Regel lässt sich eine Infektion mit Antibiotika gut behandeln. Meist lösen die Bakterien das so genannte Pontiac-Fieber aus, das ähnlich wie eine Grippe verläuft. Eine Lungenentzündung verursachen die Legionellen in 6.000 Fällen jährlich, schätzt die Biologin Susanne Glasmacher vom Robert-Koch-Institut. Besonders ältere Menschen wie die nun verstorbenen Frankfurter Patientinnen seien gefährdet: „Etwa 10 bis 15 Prozent der Patienten, die an der Legionärskrankheit leiden, sterben.“

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