The American Way of Death

Stefan Haupts Dokumentarfilm über Elisabeth Kübler-Ross, eine Protagonistin der amerikanischen Hospizbewegung

Zur amerikanischen Bürgerrechtsbewegung gehörte auch der Kampf um die Enttabuisierung des Todes. Die Hospizbewegung richtete sich gegen eine Apparatmedizin, die oft auf Kosten von Patienten und Angehörigen arbeitete. Sie war der Versuch, sterbenden Menschen einen würdigen Tod zu ermöglichen.

Über die große Protagonistin dieser Bewegung, die Ärztin Elisabeth Kübler-Ross, hat Stefan Haupt jetzt einen Dokumentarfilm gemacht. Der Autor hat die gebürtige Schweizerin, die 1965 in die USA auswanderte und 1969 durch ihr Buch „On Death and Dying“ („Interviews mit Sterbenden“) Aufsehen erregte, in ihrem Haus in Arizona besucht. Dorthin hat sich die heute 77-Jährige nach mehreren Schlaganfällen zurückgezogen. Möglich wäre also ein interessantes, ein wichtiges Porträt einer mit dem eigenen Tod konfrontierten Protagonistin der Hospizbewegung gewesen. Man hätte zeigen können, wie weit die Themen dieser Bewegung in den Alltag der Menschen um Elisabeth Kübler-Ross haben eindringen können und wie die Protagonistin ihre Situation reflektiert und lebt.

Doch den Mut, Elisabeth Kübler-Ross in ihrem sozialen Umfeld zu zeigen, um zu sehen, wie das Verhältnis von Sterbenden und Angehörigen heute in der amerikanischen Provinz aussieht, hat Stefan Haupt nicht gehabt. Stattdessen hat sich der Autor auf eine mystisch-verklärende Sicht dieses Sterbens zurückgezogen. Gerade diese Angst vor der Wirklichkeit steht aber in krassem Gegensatz zu den Prämissen der Emanzipationsbewegungen der 60er-Jahre, zu denen doch auch Kübler-Ross’ Kampf um die Enttabuisierung des Todes gehörte.

Haupts Film ist gespickt mit Bildern von majestätischen Naturlandschaften und weiten Himmelsperspektiven. Lauter visuelle Metaphern, die den Tod verklären, statt sich ihm zu nähern. Der Soundtrack verstärkt diesen Eindruck noch: Elegische Jazzmusik und traurig-feierliche Kirchenchoräle ersetzen Offenheit durch Abgeklärtheit und Beobachtung durch Kitsch. Zwischen Panoramaeinstellungen von Landschaft und Großaufnahmen der Protagonistin scheint kein Platz gewesen zu sein für das, was eine Dokumentation doch ausmacht: den suchenden, Einzelheiten und Ganzes gegeneinander stellenden Blick.

Vielleicht ist Stefan Haupt mit seiner Mystifikation des Todes auf einen Charakterzug der Protagonistin hereingefallen: Elisabeth Kübler-Ross legte nämlich in ihren späten Jahren ihren Workshops und Vortragsreisen spirituelle Erfahrungen zugrunde. Ihre große Anhängerschaft spaltete sich hierüber. Wissenschaftskritik schien in Leichtgläubigkeit umzuschlagen. Doch die Elisabeth Kübler-Ross der Dokumentation hat sich etwas Zupackendes, Direktes, Sarkastisch-Unlarmoyantes bewahrt, das dem Film oft genug fehlt, die Gesprächsszenen mit ihr dagegen zu den Höhepunkten der Dokumentation macht. Ihre resolute Starrköpfigkeit ist das, was diesen Film über das Sterben am Leben erhält.

Der Sterbebegleiter der Protagonistin muss eine eigentümliche Figur sein, eine Art Guru. Das erfahren wir in einer Nebenbemerkung. Weiteres wird nicht mitgeteilt, denn Stefan Haupt ist weniger an der Gegenwart als an der Vergangenheit interessiert. So dominieren statt des Gurus oder der Haushälterin über weite Strecken des Films die beiden Drillingsschwestern der Protagonistin, und skurrile Geschichten aus der gemeinsamen Kindheit in Zürich sind zu hören. Doch der Dokumentation geht es dabei fast wie der Emanzipationsbewegung, deren Protagonistin Elisabeth Kübler-Ross war: Statt auf wissenschaftskritischer, menschennaher Praxis zu beharren, scheint auch sie heute oft in Esoterik und Lebensphilosophie umzuschlagen. PATRICK BATARILO

„Elisabeth Kübler-Ross – Dem Tod ins Gesicht sehen“, Regie: Stefan Haupt, Schweiz 2002, 98 Minuten