Gegen den Namen des Volkes

Landesbetrieb Krankenhäuser wird in zwei Schritten privatisiert – zum Wohle des gesunden Volkes und gegen dessen ausdrücklichen Willen. Einziger Interessent ist weiterhin Asklepios. Die Quittung erwartet der Senat bei der nächsten Wahl

von Sven-Michael Veit

Ole von Beust nimmt die Kritik vorweg. „Es ist uns klar, dass der Vorwurf kommt, der Senat würde den Volksentscheid grob missachten“, räumt der CDU-Bürgermeister ein. Dies dennoch zu tun, sei „uns nicht leichtgefallen“, aber wat mutt, datt mut: Der Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) wird in zwei Schritten privatisiert, der einzige Interessent ist zurzeit die hessische Klinikgruppe Asklepios GmbH, der Kaufpreis ist Verhandlungssache.

Mit diesem „Stufenmodell“, das der Senat gestern offziell verkündete (taz berichtete vorab), setzt er sich über den Volksentscheid „Gesundheit ist keine Ware“ vom 29. Februar hinweg. Damals hatten sich 76,8 Prozent der HamburgerInnen gegen den Verkauf des LBK ausgesprochen. „Unglaubliche Arroganz der Macht“, wettert denn auch Wolfgang Rose von der Gewerkschaft ver.di, die den Volksentscheid initiiert hatte. Rose will gerichtlich gegen den Senatsplan vorgehen (siehe Text unten).

Und das, obwohl von Beust findet, „dem Volksentscheid – wenn auch nur vorübergehend – Rechnung zu tragen“. Zum 1. Januar soll „ja nur eine Minderheitsbeteiligung“ von 49,9 Prozent verkauft werden, weitere 25 Prozent soll der Investor „mittelfristig“ erhalten. Gedacht ist an einen Zeitraum von zwei Jahren, und damit sei, so der Bürgermeister, „auch unsere Fürsorgepflicht für die Mitarbeiter des LBK erfüllt“. Diese, die Gewerkschaften und die neue Unternehmensführung könnten dann „ganz in Ruhe“ die erforderlichen „Umstrukturierungen“ in Angriff nehmen und sich auf Tarifveränderungen einstellen.

Von Anfang an aber erhalte der Käufer „die unternehmerische Führung“ über die sieben Kliniken des Landesbetriebes, alle anderen Modelle seien „unrealistisch“, so Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU): „Wer investiert und das unternehmerische Risiko übernimmt, braucht auch die unternehmerische Verantwortung.“ Nach der zweiten Stufe des Teilverkaufs sollen nur noch 25,1 Prozent der LBK-Anteile in öffentlicher Hand bleiben. Eine Sperrminorität, welche der Stadt „einen verhindernden Einfluss ermöglicht“, wie der Bürgermeister es nennt, „aber keinen gestaltenden mehr“.

Und den will die Stadt loswerden, wie Dietrich Wersich, Staatsrat der Gesundheitsbehörde, offen einräumt: „Der Staat setzt die Rahmenbedingungen, der private Betreiber setzt sie um.“ Nur so sei eine „hochwertige medizinische Versorgung der Bürger“ zu erhalten, nur so sei der LBK „zukunftsfähig und leistungsstark auf dem Gesundheitsmarkt“.

Bis zum 20. August, so der Zeitplan, soll nun mit Asklepios über dieses Stufenmodell verhandelt werden. Die Hessen hatten bislang das einzige „belastbare“, wie Finanzsenator Peiner das nennt, Angebot vorgelegt. Der Ende vorigen Jahres bereits vorliegende Vertrag war wegen des Bruchs des Schwarz-Schill-Senats und des Volksentscheides nicht unterschrieben worden. Wenn sich noch andere Interessenten meldeten, würde auch mit denen gesprochen, versichert der Regierungschef: „Wir wollen ja nicht von Asklepios erpressbar sein.“

Es sei, das sagt Ole von Beust auch noch, „das klassische Dilemma zwischen einer notwendigen Entscheidung und einer Bevölkerung, die anders denkt“. Wie das politisch ausgehe, werde man bei der Wahl in dreieinhalb Jahren erfahren: „Dann kriegen wir die Quittung dafür – oder auch nicht.“