„1 Prozent ist ideal“

Arte-Präsident Jérôme Clément über seine Quotenwünsche, das Verhältnis zu ARD und ZDF, Gebühren und den nicht funktionierenden Europudding

Interview STEFFEN GRIMBERG

Nach einem Satelliten- und Kabelplatzwechsel ist der Kulturkanal Arte bei vielen Zuschauern hinten auf der Fernbedienung gelandet, irgendwo im Bereich ausländischer Shoppingkanäle. Mit der Kampagne „Arte auf Acht“ will der Sender wieder nach vorn – auch mit der Quote.

taz: Wie geht es der Quote in Deutschland, nachdem Ihnen einige Haushalte abhanden gekommen sind?

Jérôme Clément: Wir stellen zum Glück fest, dass die Quote seit ein paar Wochen wieder steigt. Langsam, aber sicher. Der Trend hat sich umgekehrt. In Frankreich haben wir dagegen um 20 Prozent zugelegt – von 3 Prozent zu Jahresbeginn auf jetzt 3,6 Prozent. Gerade in Deutschland bleibt aber noch viel zu tun, deshalb machen wir ja jetzt auch die Aktion „Arte auf 8“. Die Zuschauerzahlen sollen natürlich steigen: 4 Prozent in Frankreich und 1 Prozent in Deutschland – das wäre ideal.

In Deutschland geht bald die Diskussion über die Erhöhung der Rundfunkgebühren los. Welche Rolle spielt Arte dabei?

Nun, natürlich ist Arte in Deutschland ein Ableger von ARD und ZDF. Aber wir haben gleichzeitig unsere eigene Position und unseren Bedarf bei der KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der öffentlich-rechtlichen Anstalten, d. Red.) im Rahmen von Anhörungen begründet. Wir sind wirtschaftlich in einer ganz anderen Lage als die anderen öffentlich-rechtlichen Sender. Arte ist ein junges Programm mit einer besonderen Aufgabe, einer besonderen Mission. Und wir sind weiterhin im Aufbau. Da kann man doch nicht ernsthaft sagen, dass 10 Cent Gebührenerhöhung für Arte zu viel wären, zumal wir keine Werbeeinnahmen haben.

Diesmal geht es aber in der Politik gar nicht um das Wieviel, sondern um das Ob …

Aber das, was wir insgesamt für Arte mehr brauchen, ist nur ein Bruchteil des gesamten Gebührenbedarfs. ZDF-Intendant Markus Schächter und ARD-Vorsitzender Jobst Plog nehmen auch ihre Fürsorgepflicht für Arte wahr. Plog war auch mein Vorgänger. Er ist jetzt Präsident der Arte-Migliederversammlung. Er kennt Arte von innen und ist, wie ich, seit der Gründung dabei. Das hilft natürlich.

Apropos Verhältnis zu ARD und ZDF: Da ist immer noch von Reibungsverlusten die Rede. Gibt es Aussicht auf Besserung?

Arte France ist ja nicht mit den anderen öffentlich-rechtlichen Sendern in Frankreich verbunden wie Arte Deutschland mit ARD und ZDF. Das ist schon eine besondere Struktur, und ich denke, wir könnten da etwas mehr Autonomie gebrauchen. Aber die Beziehungen sind gut. Das funktioniert wunderbar mit dem ZDF. Mit der ARD hat sich die Situation in den letzten Jahren sehr verbessert. Auf jeden Fall gilt: Wer bei ARD und ZDF für Arte arbeitet, ist unglaublich engagiert.

Vor allem in der Anfangszeit gab es oft den Vorwurf, Arte würde bei den pauschal bezahlten Themenabenden von der deutschen Seite über den Tisch gezogen und zu viel bezahlen.

Von Missbrauch von Arte-Geldern kann keinesfalls die Rede sein. Natürlich brauchen ARD und ZDF Geld von Arte. Prestigeprojekte etwa wie z. B. die „Manns“ wären sonst nicht zu finanzieren. Da kommt es auf unsere vergleichsweise kleine Beteiligung an. Die Legitimität von Arte ist es eben, Qualitätsprogramme zu produzieren; und gerade aus diesem Grund wird unsere Legitimität innerhalb des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowohl in Deutschland als auch in Frankreich anerkannt.

Die deutschen Privatsender versuchen gerade, eine Debatte über die Aufgaben und die Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks loszutreten. Sorgen Sie sich um Arte?

Arte hat durch seinen Gründungsvertrag schon die Funktion als europäischer Sender. Da braucht es keine weitere Definition. Aber die Debatte um das Verhältnis von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk ist ja nicht auf Deutschland beschränkt. Ich denke, dass eine Demokratie unbedingt öffentlich-rechtliches Fernsehen braucht. Das Privatfernsehen muss sich kommerziellen Interessen unterordnen, die auch das Programm bestimmen. Eine Mindestvoraussetzung ist sicherlich ein Gleichgewicht zwischen beiden Systemen … Schauen Sie doch die Besorgnis erregende Entwicklung in Italien mit Berlusconi oder auch mit Murdoch. Die Verteidigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist eine europäische, ja eine globale Aufgabe.

Hier liegt noch ein Arte-Dilemma: Während Arte in Frankreich tatsächlich als europäischer Sender begriffen wird, heißt es hierzulande immer noch: der deutsch-französische Kulturkanal.

Vielleicht liegt es an der unterschiedlichen Betrachtungsweise: In Frankreich denken die Menschen eher an unser Programm. Und das ist eben europäisch. In Deutschland steht dagegen mehr die Struktur von Arte im Vordergrund. Und dann ist Arte natürlich noch ein besonderer Ausdruck für die deutsch-französische Aussöhnung, die deutsch-französische Freundschaft. Dieses besondere Verhältnis setzt sich ja fort: Nehmen Sie die Haltung unserer Länder im Irakkrieg. Aber wir machen doch längst europäisches Programm – mit unseren Partnern in Belgien, Polen, der Schweiz, Österreich …

Bei der Babelsberger Produzentenkonferenz vergangene Woche hieß es aber, z. B. beim Fernsehspiel mache es nur Sinn, auf den nationalen Markt zu setzen. Europa würde nicht funktionieren.

Eines ist wahr: Außer beim Sport, der überall funktioniert und den wir übrigens mit vielen Dokumentationen immer wieder begleiten, funktioniert der Europudding nicht. Aber die deutschen Fernsehfilme haben in Frankreich viel Erfolg. Sowie Dokus wie „Terra X“ oder Stoffe wie Maigrets-Krimis, die in beiden Ländern sehr gut funktionieren. Beim Film ist es schwieriger. „Lola rennt“ hat die Franzosen genauso wenig interessiert wie die Deutschen Sendungen über Algerien. Weil es unser Ziel ist, den Reichtum und die Vielfalt der Kultur in Europa und auch in der Welt in den Vordergrung zu stellen, machen wir eben beides.