Der Blick zurück: Verborgene Botschaften
Die Isotopenanalyse ist ein Tausendsassa. Nicht nur, dass Betrüger und Nepper sie fürchten müssen. Als vielseitig einsetzbares Handwerkzeug in Forschung und Wissenschaft können mit ihrer Hilfe verschlüsselte Informationen lesbar gemacht werden, die vor tausenden von Jahren in Lebewesen eingespeist worden sind. Sind davon noch Überreste vorhanden, Fossilien zum Beispiel, kann aufgezeigt werden, wo sie ihr Leben verbracht haben und wovon sie sich ernährten.
So fanden südafrikanische Wissenschaftler heraus, dass unsere Vorfahren, die vor drei Millionen Jahren in Afrika lebten, sich nicht hauptsächlich von Früchten ernährten – wie bisher angenommen wurde. Eine Isotopenanalyse des Zahnschmelzes von Australopithecus africanus zeigte, dass die Nahrung unserer Urahnen große Mengen des Kohlenstoffs [13]C enthalten haben muss. Und dieses Isotop ist vor allem in Gräsern zu finden. Da jedoch nicht anzunehmen ist, dass sie wie die Wiederkäuer auf der Wiese asten, bleibt nur der Schluss: schon Australopithecus africanus war ein Fleischfresser. Die großen Mengen an [13]C können nur durch den Verzehr von Wiederkäuern in die Mägen unserer Vorfahren gelangt sein.
Ein ganz besonderes Pänomen nutzten hingegen die Forscher, um die Wanderwege der 4.000 Jahre alten Gletscherleiche Ötzi nachzuzeichnen. Anhand der Sauerstoffisotope konnte gezeigt werden, dass Ötzi südlich der Alpen zu Hause war. Denn Regenwolken haben die Eigenschaft, Wasser mit dem schwereren Sauerstoffisotop [18]O schneller zu verlieren, als das H2O mit dem leichteren [16]O. Und da die Regenwolken nördlich der Alpen erst den langen Weg vom Atlantik hinter sich bringen müssen, enthält das bayerische Wasser weitaus weniger [18]O-Isotope als der Mittelmeerregen an den Südhängen der Alpen.
Das sind nur zwei Beispiele dafür, wie die Isotopenanalyse verborgene Botschaften sichtbar machen kann. Wird diese Methode erst zu einem Standardverfahren in den Forschungslaboren, so wird sie uns sicherlich noch viele weitere Geheimnisse offenbaren. WOLFGANG LÖHR
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