Mit Stolz das „W“ auf dem Trikot

Ein Straßenkinderprojekt 2.860 Meter über Normal-Null: In der perunaischen Andenstadt Cajamarca spielen Autowäscher-Kids, die Streetworker als „prä-delinquent“ bezeichnen, Fußball in viel zu großen grün-weißen Werder-T-Shirts

Bremen taz ■ Werder hat es ganz nach oben geschafft. Bis auf 2.860 Meter über dem Meeresspiegel. Seit einem Jahr wird in der peruanischen Andenstadt Cajamarca mit der Werder-Raute auf der Brust Fußball gespielt. Den kleinsten der fünf- bis sechszehnjährigen Jungen gehen die viel zu großen grün-weißen T-Shirts bis über die Knie. Das erschwert das Laufen, tut der Spielfreude aber keinen Abbruch.

Vorne prangt der Trikotsponsor „Jacobs“, auf dem Rücken der Vereinsname „CETA“. Das steht für „Centro Educativo de Talleres Artísticos“, ein von einer Handvoll Lehrerinnen und Lehrern vor sechs Jahren gegründetes Straßenkinderprojekt. In der 120.000-Einwohner-Stadt Cajamarca gibt es zwar keine Slums wie in der Hauptstadt Lima, aber seit einigen Jahren geht auch hier die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Neben wenigen Inka-Ruinen prägen vor allem Viehherden und Milchfarmen das Stadtbild. Den Kindern, die für ihren Lebensunterhalt auf der Straße arbeiten müssen, möchte CETA mit Theater-, Tanz- und Malkursen einen kreativen Ausgleich bieten.

Als das Projekt anlief, absolvierte die Berliner Studentin Lisa Wolff in Cajamarca ein Praktikum. Zurück in Deutschland gründete sie „Alternativas e.V.“, um weitere Sponsoren zu finden. Der Berliner Verein überweist mittlerweile 6.000 Euro im Jahr nach Cajamarca. Dort nutzen inzwischen etwa 150 Kinder regelmäßig die Kurse, am Wochenende werden Ausflüge, Wettbewerbe und Aufführungen organisiert – oder auch mal ein Zahnputzworkshop.

Nur die Autowäscher-Kids wollten weder lernen, wie man sich vernünftig die Zähne putzt noch malen oder tanzen. Sie gelten als extreme Risikogruppe, die meisten schnüffeln Klebstoff, Streetworker bezeichnen sie als „prä-delinquent“. Da kamen die Lehrer auf die Idee, eine Fußballmannschaft zu gründen. Die Jugendlichen waren begeistert – nur die Trikots fehlten. Abhilfe kam aus Deutschland, genauer: aus Bremen. Ein „Alternativas“-Mitglied fragte beim SV Werder an, der prompt reagierte. Er schickte eine ganze Ladung T-Shirts, die vom letztjährigen Benefizspiel gegen Energie Cottbus zugunsten der Flutopfer übrig geblieben waren, nach Peru.

Nun kicken die Autowäscher von Cajamarca in XXL-Hemden, auf denen unter dem Werder-W „Wir halten zusammen – Flutopfer 2002“ steht. Bei ihrem ersten Turnier mit Mannschaften aus anderen Projekten wurde ein beachtlicher zweiter Platz erzielt. Und das, obwohl die Spieler des Finalgegners alle „viel größer und älter“ waren. Zur Belohnung gab‘s Pommes und Hühnchen. Das sollte schmackhafter Anreiz sein, den Trikotspendern im fernen Bremen nachzueifern und beim nächsten Mal als Sieger vom Platz zu gehen. Dann wäre Bundesligaspitzenreiter Werder auch in Peru wirklich ganz oben angekommen. Nicht nur geographisch. Daniel Schalz