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46 Stunden-Woche für Lehrer – virtuell

Der Hamburger Senat will Lehrern eine feste, höhere Arbeitszeit geben. Und kürzt auch gleich die Mittel für Bildung

BERLIN taz ■ Das Volk denkt in etwa so: „Lehrer sind faule Säcke. Die haben viel mehr Ferien und am Mittag schon frei.“ Selbst wenn das ungerecht ist – die Arbeitszeit der Lehrer ist ein Konfliktpunkt. Sie ist mit schuld am schlechten Image der Lehrer.

Der Hamburger Senat spielte Vorreiter und wollte den alten Streitpunkt aus dem Weg räumen. Die Bildungsbehörde schaffte ein neues Lehrerarbeitszeitmodell, das Lehrern eine feste Arbeitszeit von 46 Stunden pro Woche gibt – allerdings nur virtuell. Mit Beginn des Schuljahres 2003/04 sollten auch Unterrichtsvorbereitung, Konferenzen und Fortbildungen als Arbeitszeit zählen für Lehrer, nicht allein die Unterrichtsstunden.

Selbst die kritische OECD-Lehrerstudie lobt den Ansatz. „Die Unterrichtszeit in den Klassen ist effektiv nur ein Aspekt eines komplexen Berufsprofils.“ Also hat jeder Hamburger Lehrer nun im Jahr 1.776 Arbeitsstunden abzuleisten, das sind 46 Stunden in der Woche. Für Kritiker ist das Modell ein gefundenes Fressen.

Die Idee ist gut und anerkannt. Doch die Schulreform ging, wie so oft in Deutschland, mit massiven Mittelkürzungen und einer versteckten Arbeitszeiterhöhung für Lehrer einher. Für die Fraktionsvorsitzende der Grünen Alternativen Liste, Christa Goetsch, war von Anfang an klar: „Weniger Lehrer und Lehrerinnen unterrichten mehr Kinder, das Bildungsangebot hat sich verschlechtert.“

Mit Einführung der neuen Arbeitszeit wurden auch die Mittel für Angebote außerhalb des Unterrichts und Förderangebote drastisch gekürzt. Klassenfahrten sind seitdem ein Reizthema in der Hansestadt. Sie werden als normale Arbeitszeit gewertet. Eine Lehrerin mit halber Stelle, laut Modell 27 Wochenarbeitsstunden, kriegt für eine Klassenreise keine zusätzlichen Arbeitsstunden angerechnet – trotz Nacht- und Mehrarbeit. Als Konsequenz haben die Hamburger Lehrer auf Konferenzen beschlossen, keine Klassenfahrten mehr anzubieten. Die Schullandheime in der Hamburger Umgebung bleiben leer. Lernen in der Natur findet für Hamburger Schüler nur noch selten statt. Erneut wird der Streit um Reformen auf dem Rücken der Schüler ausgetragen. Nach neuesten Informationen will die Behörde allerdings Klassenreisen wie Dienstreisen verrechnen – das könnte einen Ausweg aus der Situation bringen.

Mit dem neuen Arbeitsmodell beendet der Senat zugleich die Ära der freiwilligen Fortbildungen. Ab sofort müssen sich Lehrkräfte regelmäßig weiterbilden. Jeder Lehrer muss in seiner Jahresarbeitszeit 30 Stunden Fortbildung unterbringen. Eine Verweigerung käme, so die Bildungsbehörde, einer Dienstpflichtverletzung gleich – bildungsmüden Lehrern drohen diverse Disziplinarmaßnahmen.

Auch an diesem Punkt fällt Kritik jedoch nicht zu schwer. Das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung könne es gar nicht schaffen, für 16.000 Lehrer jeweils 30 Stunden Fortbildung im Jahr zur Verfügung zu stellen, so gibt auch dessen Direktor Peter Daschner zu. Die Ursache: Der Staat stellt nicht genug Mittel zur Verfügung. Die Gelder des neu geschaffenen Landesinstitut werden ständig gekürzt. Die Schulen sollen stattdessen selbst die Fortbildung ihrer Lehrer organisieren.

Auch unter Alexandra Dinges-Dierig, seit Anfang des Jahres neue Schulsenatorin in Hamburg, soll die Reform mit wenigen Änderungen beibehalten werden. Auf den Bericht einer Arbeitsgruppe von Lehrern, das Lehrerarbeitszeitmodell habe „zu inakzeptablen Zuständen“ an den Schulen geführt, ging sie nicht ein. Die Lehrer lehnen das Arbeitszeitmodell ab. Es sieht so aus, als bleibe die Hamburger Schulreform nicht mehr als eine gute Idee. FLORIAN HOLLENBACH

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