„Das ist islamisch“

Der Hamburger Arabien-Experte Aziz Alkazaz ist der Meinung, dass der deutsche Staat nicht einfach saudische Schulen schließen kann

taz: Herr Alkazaz, hätte die König-Fahd-Akademie wegen des Islamismus-Vorwurfs geschlossen werden müssen?

Aziz Alkazaz: Nun, man muss unterscheiden zwischen einem Islamismus, der zur Kriminalität auffordert und Kriminalität unterstützt auf der einen, und einem Islamismus, der das Politische der Religion darstellt, auf der anderen Seite. Den kriminellen Islamismus kann und muss man verbieten, den politischen Islam kann man nicht so einfach verbieten.

Aber in der Akademie wurden die Schüler zum Dschihad, zum Heiligen Krieg aufgerufen. Ist das keine Aufforderung zur Kriminalität?

Der Islam bezeichnet den Dschihad gegen Besatzer und gegen Invasoren als Pflicht. Jeder Muslim muss das Haus der Gemeinde verteidigen, wenn es angegriffen wird. Wenn der Prediger das in der Akademie gesagt hat, so ist das islamisch.

Sollen die deutschen Behören dulden, dass in einer Schule zum Dschihad aufgerufen wird?

Der deutsche Staat hat die Wahl: Entweder er verlangt von den Muslimen, den Dschihad-Teil aus ihrer Religion einfach herauszuschneiden und hier nicht zu lehren. Das ist hochgradig problematisch. Oder er bekennt sich zur Religionsfreiheit im vollen Sinne des Wortes. Dann müssen Muslime hier ihre Religion mit all ihren Teilen lehren können.

Aber der Aufruf zum Dschihad wird offenbar von genug Leuten als Aufforderung zum Terrorismus verstanden.

Wenn man solche Unklarheiten vermeiden und die Freiheit der Religionsausübung erhalten will, gibt es nur eine Lösung: Es muss eine international anerkannte und verbindliche Definition von Terrorismus geben. Es müsste eine UNO-Konferenz geben, die klar festlegt, was Terrorismus und was ein Befreiungskampf oder auch Widerstand ist. Dann könnten Staaten wie Deutschland ihre eigene Rechtsprechung und -praxis danach ausrichten.

Woher sollen die Behörden wissen, ob der Aufruf zum Dschihad im Unterricht oder Gottesdienst nicht verfassungsfeindliche Organisationen unterstützt? Es heißt, die Lehrer hätten mit radikalen Gruppen, vielleicht gar mit al-Qaida zusammengearbeitet.

Dann muss die Behörde erst klären, was dort wirklich geschehen ist, bevor sie aufgrund von Mutmaßungen und Medienberichten gleich das schärfste Mittel, die Schließung, anwendet. Man könnte auch erst einmal einzelne Lehrer beurlauben. Im Übrigen hat die Regierung von Saudi-Arabien die Terrorbekämpfung auf ihre Fahnen geschrieben und auch im eigenen Lande schon bei Predigten interveniert. INTERVIEW: UWI