: Schulfilmwochen wären ein Anfang
„Medienerziehung“ ist ein Fremdwort. RTL und MTV sind die Pädagogen der bewegten Bilder. Das Projekt „Schulfilmwoche“ will das ändern, wenigstens für den Film, das Medium des 20. Jahrhunderts. Ein „“ könnte ins 21. Jahrhundert führen
Wenn Jugendliche über neue Computerspiele reden, Videoclips ansehen oder den Joystick an den Fernseher anschließen, dann wenden sich die meisten Erzieher ab – aus Desinteresse und Unverständnis. Die Pädagogen des 21. Jahrhunderts lieben die Tafelkreide und nicht die Medien ihrer Zeit.
Schon bei dem guten alten Film, einer Technik der Großväter heutiger Jugendlicher, hört die Kompetenz oft auf. In Nachbarländern wie Frankreich gehört der Film zu den Bereichen, in denen Schule selbstverständlich Kompetenzen vermittelt. Die Initiative „Schulfilmwochen“ will das ändern. Bewegte Bilder formen die Weltbilder der Jugendlichen, wenigstens eine Woche im Jahr sollen alle SchülerInnen die Chancen haben, von kompetenten Medienpädagogen etwas über den Umgang mit dieser Kulturtechnik zu lernen. Im Kino 46 fand jüngst eine kleine Tagung statt, in der das Projekt in Bremen vorgestellt wurde. Das ist nötig, denn acht andere Bundesländer praktizieren sie schon, in Bremen ist die Idee bei der Bildungsbehörde noch nicht auf fruchtbaren Boden gefallen.
Christine Rüffert, vom Senator für Kultur ans Kino 46 abgestellt, möchte erreichen, dass Bremen im nächsten Jahr dabei ist. Ein Drittel der Kosten, 10.000 Euro, müssten von der vom Land Bremen kommen, zwei Drittel werden von den auswärtigen Partnern aufgebracht. Die Idee ist einfach: Die lokalen Kinos werden als Kooperationspartner angesprochen, sie sollen vormittags Filme für die Schulklassen zeigen. Experten des Kölner „Instituts für Kino und Filmkultur“ (IKF) begleiten die Schulklassen.
Auf der Tagung erklärte der Bremer Kunstpädagoge Prof. Dr. Winfried Pauleit den Unterschied zwischen dem alten Zeigestock und dem Medium Film: „Kinematograf“ ist eine Maschine, die selber ihr Produkt erklärt. Der Pädagoge wird überflüssig, scheinbar. Das macht es so schwierig, den selbsterklärenden Botschaften der Filme etwas hinzuzufügen. Christina Weiß, Staatsministerin für Kultur, unterstützt das Projekt: „Nur wer gelernt hat, wie selbst die alltäglich scheinenden Bilder gemacht werden, kann ein eigenes Verhältnis zu ihnen entwickeln, kann abwägen und die Chance zur Distanz ergreifen.“
Die meisten Angebote der privaten Fernseh-Programme suchen solche Gelegenheiten zur Distanz zu vermeiden, weil sie die Gefahr mit sich bringen, dass die Zuschauer „umschalten“. Deswegen gibt es keine Ruhepunkte in den Action-Filmen. Mit dem Privatfernsehen erzogene Jugendliche fragen nach 30 Minuten eines Fellini-Filmes: „Passiert da noch einmal etwas?“ Das Sehen-Lernen findet in der Schule bisher nicht statt.
Das Kölner Institut hat zu bestimmten Themen wie Toleranz oder Gewalt Filme zusammengestellt, die den Kinos in Absprache mit dem Verleihverband kostengünstig zur Verfügung gestellt werden, und hat darüber hinaus Begleitmaterial entwickelt (www.lernort-film.de).
Christine Rüffert vom Kino 46 hat noch sehr viel weiter gehende Pläne: In einem „“ sollen Jugendliche die Möglichkeit haben, auch mit moderneren Medien als dem guten alten Film umgehen zu lernen. „Wir müssen die Jugendlichen an der Spielkonsole abholen“, sagt Rüffert. Wenn das Faulenquartier zu einem „Medienzentrum“ werden soll, dann gehört für sie so ein Ort dazu, wo SchülerInnen moderne Bildtechniken ausprobieren, hinterfragen und reflektieren lernen können. Ein Gebäude soll Säle für anspruchsvolle Filmvorführungen nach der Art des Kino 46, ein Museum, eine Kinemathek, eine Mediathek und ein „Moving Image Center“ vereinen. Das „“ soll ein Universum im Bereich der modernen Medien sein. Denn die bewegten Bilder des Films werden heute längst durch Sensoren und Computerprogramme ergänzt. Hier soll vermittelt werden, wie digitale Technologien die Medien verändern, wie in den Medien Effekte erzielt werden, wie sie wirken und wie sie verführen.
Im Vergleich zu einem gigantischen Projekt wie dem Space Park könnte Bremen mit relativ wenig Geld ein europaweit einmaliges Projekt auf die Beine stellen, das touristische mit erzieherischen Effekten verbindet und das auch noch Spaß macht. Das könnte sozusagen der Blick hinter die Kulissen der Space-Center-Effekte werden, das „Cineum“ soll insbesondere Jugendliche dazu verführen, sich mit der Machbarkeit der Medienwelt auseinander zu setzen. Erst das wäre „Aufklärung“ für das 21. Jahrhundert. Klaus Wolschner
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