Ludin fühlt sich „wie kurz vor dem Holocaust“

Fereshta Ludin, die wegen Kopftuchs (noch) Schulverbot hat, vergleicht ihre Situation mit der von Juden in der NS-Zeit

DIETZENBACH epd/taz ■ Eine kleine zierliche Frau mit Kopftuch betritt den Saal, und mit einem Raunen fahren die Köpfe herum. In der evangelischen Rut-Gemeinde in Dietzenbach bei Frankfurt war am Freitagabend die Muslimin Fereshta Ludin zu Gast, die gerne Lehrerin in Baden-Württemberg geworden wäre, aber wegen ihres Kopftuchs nicht werden durfte.

150 Menschen, gut die Hälfte davon Muslime, waren erschienen. Die Diplomatentochter erzählte von den Stationen ihres Lebens in Kabul, Bonn, Saudi-Arabien und Baden-Württemberg. Sie erklärte, dass sie das Kopftuch allein aus religiösen, nicht aus politischen Gründen trage. Mit islamistischen Organisationen habe sie nichts zu tun, beteuerte Ludin. „Nicht jede Frau, die ein Kopftuch trägt, ist eine Fundamentalistin.“

Gefragt nach ihrer abgelehnten Übernahme in den Schuldienst redete sie sich allerdings in Rage. „Diese Entscheidung ist unvereinbar mit den Vorstellungen von Freiheit, Bürgerrechten und Demokratie in diesem Lande“, sagte sie. Sie werde diskriminiert. Die Deutschen hätten wenig aus ihrer Geschichte gelernt. „Ich fühle mich wie kurz vor dem Holocaust“, sagte sie schließlich – und löste damit Empörung im Saal aus.

„Sie hat dieses Wort fast gleichzeitig wieder zurückgenommen“, berichtete Pfarrerin Susanne Lenz, Organisatorin der Veranstaltung, der taz. „Das Wort war falsch gewählt und das hat sie auch sofort gemerkt. Sie hat versucht auszudrücken, was es heißt, ausgegrenzt zu werden, Sündenbock zu sein.“

Nach Einschätzung von Lenz war der Abend, nachdem sich die Gemüter wieder beruhigt hatten, „sehr, sehr hilfreich“. Es sei klar geworden, dass Fereshta Ludin nicht fanatisch sei und dass der von ihr angestrengte Prozess vor dem Verfassungsgericht eine persönliche Entscheidung gewesen sei und keine politische.

Fereshta Ludin ist zugleich „stolz auf mein Land“, das Grundgesetz, auf das Bundesverfassungsgericht. Sie fühle sich seit dem Karlsruher Urteil vom 24. September wie „befreit“. Das Gericht hatte darin die fehlende gesetzliche Grundlage für das Kopftuchverbot bemängelt.

Weniger freundlich denkt Ludin über die Medien. Sie warf ihnen verzerrte Berichterstattung vor. Einer Frau im Publikum, die nach ihrer Vergangenheit in der „Deutschen Muslim-Jugend“ fragte, schleuderte sie entgegen: „Sie sind bestimmt Journalistin.“ Das Fotografieren hatte sie an diesem Abend untersagen lassen. OLIVER HAVLAT