Lula will Antihungerkampagne globalisieren

Das Weltsozialforum muss sich für die UN-Millenniumsziele einsetzen, fordert der brasilianische Präsident

PORTO ALEGRE taz ■ Die Zeiten haben sich gewandelt. Vor zwei Jahren, Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva war gerade frisch im Amt, wurde der ehemalige Metallgewerkschafter in Porto Alegre von 70.000 Aktivisten aus aller Welt bejubelt. Noch galt Lula den meisten als die Stimme des Weltsozialforums, die den Skandal von täglich 30.000 Hungertoten am glaubwürdigsten auf die globale Tagesordnung setzen könnte. Noch größere Hoffnungen verbanden sie mit den Sozialreformen für Brasilien, die er in Aussicht stellte.

Inzwischen gehen die Meinungen auseinander. Vor allem Lulas Festhalten an einem rigorosen Sparkurs wird ihm übel genommen. Auch von den versprochenen Strukturreformen für die Armen Brasiliens ist noch wenig zu sehen. Seine Kollegen aus den Industrieländern haben sein Anliegen, vor allem aber seine finanzpolitische Orthodoxie, freundlich registriert, Zugeständnisse an die Länder des Südens gab es jedoch keine.

In Porto Alegre gab sich Lula nun alle Mühe, die Kritiker von links zu besänftigen: Vor dem Internationalen Rat, dem höchsten WSF-Gremium, sagte er vorgestern: „Ich bin dabei, die Agenda von Davos zu verändern.“ Die aktuellen Entwicklungen in der Schweiz könnten ihm Recht geben. Der Schriftsteller José Saramago aus Portugal meinte hinterher: „Wenn ich Lula einen Rat geben könnte, dann den, mehr auf sein Volk zu hören.“

Bei seinem gestrigen Auftritt vor 12.000 Menschen wurde der Staatschef mit einer Mischung von Beifall und Pfiffen empfangen. Als Gast des NGO-Bündnisses White Band forderte er das Sozialforum auf, sich für die UNO-Millenniumsziele zur Armutsreduzierung stark zu machen. Punkten konnte er mit seiner Außenpolitik: Mit Süd-Süd-Allianzen strebt er eine „neue Geografie des Handels“ an. „Nicht nur die UNO – alle multinationalen Foren müssen demokratisiert werden“, rief er. „Wir wollen eine Vorherrschaft der meisten Länder statt einer der reichen.“ Greenpeace-Aktivisten verteilten T-Shirts mit einer Lula-Karikatur und der Forderung, aus der Atomenergie auszusteigen. Just vorgestern hatte er noch 34 Millionen Euro für den Bau des Atomkraftwerks Angra 3 bewilligt. GERHARD DILGER