Anfänger am Pult

Seit 1. Februar müssen Referendare zwölf Stunden allein vor die Klasse. Seminarleiter warnen vor schlechtem Unterricht. GAL kritisiert Stellenabbau bei der Sprachförderung

Im Konfettiregen der Schulsparmaßnahmen ging diese fast unter: Seit dem 1. Februar müssen Hamburgs 260 neue Lehrerreferendare zwölf Stunden allein unterrichten. „Ein wahrer Sprengstoff an den Schulen“, erklärte gestern GEW-Sprecherin Ilona Wilhelm.

„Die Auszubildenden sind mächtig unter Druck. Sie haben keine Zeit zur Besinnung zu kommen“, so Fachseminarleiter Rolf Eigenwald. Gute Ausbildung brauche aber Zeit. Hinzu kommt die Kürzung der Seminarleiterstellen am Landesinistut für Lehrerbildung um 40 Prozent, so dass ein Leiter bis zu 70 Personen betreut. „Den Fachseminarleiter sehe ich nur einmal im Monat“, ergänzte ein Referendar. „In der Hauptzeit geben wir Unterricht, für den es keine Rückmeldung gibt.“

Zwar gibt es an den Schulen Lehrer als Mentoren, doch die müssen selbst unterrichten und haben pro Woche günstigstenfalls 90 Minuten Zeit, den Nachwuchs anzuleiten. Sie kriege „ein altes Lehrbuch in die Hand und soll unterrichten“, so eine Referendarin. Es komme sogar vor, dass jemand Französisch geben solle, der Deutsch und Politik studiere.

Besonders schwierig sei die Auswirkung auf die Schulorganisation, ergänzt Silke Carrascosa vom Personalrat. An vielen Schulen würden durch Referendare Lehrer ersetzt; es rotiere das Versetzungskarussell. „Ein Lehrerwechsel im Halbjahr ist schlecht für die Schüler“, sagt Carrascosa. „Und die Lehrer sind wütend auf die Referendare.“ Da diese sogar Noten geben sollen, protestierten jetzt auch Eltern, „weil ihre Kinder in Prüfungen von blutigen Anfängern begleitet werden“.

Bedarfsdeckenden Unterricht gibt es in Hamburg seit 1998 im Umfang von vier Stunden; dieser wurde schrittweise auf zwölf Stunden erhöht. Durch die jüngste Anhebung spart die Bildungssenatorin 42 Stellen, insgesamt ersetzt der Nachwuchs 181 Lehrer.

Unterdessen kritisierte die GAL-Politikerin Christa Goetsch gestern den Raubbau an der Sprach- und Leseförderung. Gab es im Schuljahr 2001/02 noch 721 Stellen in diesem Bereich, sind es in diesem Schuljahr nur noch 521. Die Kürzung von weiteren 267 Stellen in diesem Bereich werde in der Behörde gerade vorbereitet. „Offensichtlich sind Kinder von Einwanderern bei der CDU nicht erwünscht“, sagte Goetsch. Schüler, die nicht gut lesen und sprechen können, seien benachteiligt. „Mit diesen Kürzungen verbaut der Senat vielen Kindern von Anfang an die Chance.“ Kaija Kutter