: Spurensuche auf dem eigenen Schulhof
TATORTE Wie CSI im Jugendbuch – die Reihe Traces präsentiert einen jungen forensischen Ermittler
Luke heißt der junge Mann, Luke wie Luke Skywalker oder auch Luke wie Lucky. Luke ist 16 und der jüngste forensische Ermittler, den die Welt bislang gesehen hat. Gerade noch hat er fürs Examen gebüffelt, da muss er auch schon seinen ersten Fall aufklären. Mord. Auf seinem Schulhof. Durch einen Giftpfeil mitten ins Herz. Eine geradezu archaische Methode verglichen mit den Mitteln, die Luke zur Verfügung stehen. Zum Beispiel ein Roboter namens Malc, ein wandelndes Labor und Kombinationsgenie. Malc hat das Denkvolumen mindestens eines Dutzend CSI-Abteilungen. Unter CSI versteht man Spurensuche, DNA-Vergleiche und so was. Muss man den jungen Fans von Lukes Abenteuern nicht erklären, aber da Kinderbuchseiten vorwiegend von Erwachsenen, also von „Tatort“-Guckern gelesen werden, spielen wir gleich ein bisschen Wikipedia.
Forensik, die systematische Spurenanalyse mithilfe moderner Technik, Medizin und Chemie, ist im Grunde ein Fleißgeschäft. Da kriechen die Ermittler stundenlang auf dem Boden herum, um mit superfeinen Pinzetten kleinste Partikel am Tatort in Tüten zu füllen und im Labor analysieren zu lassen. Forensiker sind Laborratten, die selten das Tageslicht erblicken, blasse, entsagungsvolle Tüftler, die auf Sexappeal gut verzichten können. Forensiker sind die Stars einer Jugend, die den alten Schimanski mit seiner schwitzenden Körperlichkeit noch nicht einmal dem Namen nach kennt. Und sie sind die Helden diverser amerikanischer Erfolgsserien.
Das Team ist der Held
Und nun gibt es CSI, die Erfolgsserie aus den USA, also auch als Buch, denkt man, wenn man den ersten Band von Traces, einer neuen Jugendbuchserie aus England, aufschlägt. Doch in Traces ist weniger CSI drin, als die Werbung verspricht. Und das, obwohl dessen Autor Malcolm Rose in seinem ersten Berufsleben Professor für Chemie war und sein Wissen aus vollen Kübeln einfließen lässt. Doch Luke ist ein klassischer Held, der seine Fälle weitgehend allein löst und dabei von einem Jugendlichen zum Fasterwachsenen heranreift. In der TV-Serie ist das anders: Dort ist das Team der Held. Nur weil jeder seine Puzzleteile einfügt, kann der Fall gelöst werden. Die Gemeinschaft der Ermittler ist aber auch ein soziales Versuchslabor, in dem wichtige Beziehungstugenden wie Treue, Zuverlässigkeit, Solidarität, Ehrlichkeit trainiert werden.
Das CSI-Team übt schon mal: das Leben. Traces und seine Hauptfigur Luke hingegen tragen Züge eines klassischen Entwicklungsromans, in dem ein Held stellvertretend für die Gruppe eine oder mehrere Prüfungen bestehen muss. Sehen, was anderen verborgen ist. Wagen, was andere sich nicht trauen. Dran bleiben, wo andere aufgeben. Mögen die Ermittlungsmethoden auch neu sein, die Erzählmethoden sind es nicht.
Was eine Feststellung, aber keine (Ab-)Wertung ist. Denn Traces hat viele Qualitäten, auch wenn echte CSI-Fans enttäuscht sein mögen. Denn Malcolm Rose bettet Lukes Abenteuer in eine zukünftige Gesellschaft ein, die stark an George Orwell erinnert. Luke hat sich verliebt. Doch Jade ist bereits einem anderen versprochen. Die Zeit, als Menschen sich ihren Lebenspartner selbst aussuchten, ihn heirateten und sich irgendwann wieder scheiden ließen, sind allerdings vorbei. Ehen werden nach angeblich wissenschaftlichen Maßstäben geschlossen. Wer zusammenpasst, bestimmt ein anonymes Gremium – und ein Ermittler mit einer Musikerin, das geht nach diesen Kriterien gar nicht.
Lukes Entwicklungsleistung besteht darin, diese Entmündigung infrage zu stellen. Bis es dazu kommt, ist der erste Band fast zu Ende. Doch im zweiten Teil gibt es bereits revolutionäre Gruppen, die sich gegen die Paarungskommission wehren. CSI wird politisch – das ist echt eine Überraschung. ANGELIKA OHLAND
■ Malcolm Rose: „Todesschütze“. Ders.: „Querschläger“. Deutsch v. Sabine Bhose. Rotfuchs im Rowohlt Verlag. Je 224 S., 8,95 €
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