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Archiv-Artikel

Stipendien für Auserwählte

Häufig ermöglicht allein die Künstlerförderung Kreativen die Arbeit an ihrem Werk. Doch weil diese nur wenige erhalten, ist die finanzielle Lage vieler Künstler prekär

 Eine Künstlerinnen-Vita in Zahlen

■ Eli Cortiñas ist 33 Jahre alt, Medienkünstlerin und lebt in Köln und Berlin. Von 2003 bis 2008 studierte die gebürtige Spanierin bei Marcel Odenbach und Matthias Müller an der Kunsthochschule für Medien in Köln. In ihren Fotomontagen und Videoinstallationen verwendet sie Found Footage-Material und thematisiert Rollenbilder der Familie. Derzeit arbeitet sie an ihrer Videoinstallation „Das Kaninchen bin ich“. Zuletzt war sie in der Ausstellung „Rencontres Internationales“ im Haus der Kulturen der Welt in Berlin vertreten.

■ Stipendien und Preise gehörten während ihres Studiums zu den Hauptgeldeinnahemquellen. Heute versucht sie sich über den Verkauf ihrer Kunst über die Galerie Michael Wiesenhöfer zu finanzieren. Eli Cortiñas Werdegang in Preisen und Stipendien:

■ 2001 Stipendium der Filmstiftung MSH Lübeck: Finanzierung des einjährigen Studiums am European Film College in Dänemark, inklusive Studiengebühren, Verpflegung und Unterkunft.

■ 2006 Förderpreis der Großen Ausstellung NRW, Düsseldorf: 1.500 Euro.

■ 2008 Nominierung für den Deutschen Kurzfilmpreis Berlin: 15.000 Euro.

■ 2009 Preis des NRW Wettbewerbs, Internationales Kurzfilmfestival Oberhausen: 500 Euro.

■ 2009 Förderpreis Bildende Kunst des Bildungsministeriums: 4.000 Euro.wol

VON LARA GRUND

Freier Aufenthalt in einem römischen Palazzo und dazu 2.500 Euro im Monat – ein Lotteriegewinn oder Wunschtraum jedes deutschen Rentners? Weder noch. Die Rede ist von der „bedeutendsten Auszeichnung für deutsche Künstler im Ausland“, dem Stipendium der Deutschen Akademie in Rom in der Villa Massimo oder der Casa Baldi. Viele bekannte Künstler haben die Villa schon beehrt, etwa der Dichter Durs Grünbein, der Fotograf Thomas Demand oder die Schriftsteller Peter Rühmkorf und Botho Strauss.

Mit der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) könnte zumindest ein Teil dieses Traums auch für Otto Normalbürger Wirklichkeit werden: Zeit und Geld für die Selbstverwirklichung zu haben. Im Modell des Künstlerstipendiums ist die Grundidee des BGE schon enthalten. Stipendiaten werden vom ökonomischen Druck befreit, um sich ihrer Kunst widmen zu können. Gefördert wird sowohl staatlich als auch privat, und zwar zumeist ergebnisoffen, insofern also bedingungslos. Doch natürlich kommen die Zuwendungen gegenwärtig nur einem ausgewählten Kreis zugute. Trotzdem knüpft die Künstlerförderung, die im gesellschaftlichen Selbstverständnis fest verankert ist, an die gleiche Idee einer Kulturgesellschaft an, die auch Vertreter des Bedingungslosen Grundeinkommens postulieren.

Die Stipendienlandschaft in der Bundesrepublik ist so vielseitig wie die in ihr schaffenden Künstler selbst. Private Stiftungen, gemeinnützige Institutionen, Parteien, kirchliche Organisationen und Unternehmen engagieren sich auf diesem Gebiet, wobei öffentliche, respektive staatliche Kulturförderung, die hauptsächlich von den Bundesländern betrieben wird, einem Bedingungslosen Grundeinkommen strukturell am nächsten kommt.

In Berlin, das in Sachen Förderung aufgrund von Größe, Kreativitätsdichte und internationalem Prestige einen Sonderstatus genießt, leben und arbeiten nach Angaben der Senatsverwaltung derzeit schätzungsweise 5.000 Bildende Künstlerinnen und Künstler, 1.200 Schriftstellerinnen und Schriftsteller, 1.500 Pop-/Rock- und Weltmusik-Gruppen, 500 Jazzmusikerinnen und -musiker, 103 professionelle Orchester und Musikensembles, 1.500 Chöre, 300 Theatergruppen und 1.000 Tänzerinnen und Tänzer bzw. Choreografinnen und Choreografen für zeitgenössischen Tanz. Etwa 20 Millionen Euro fließen jährlich in die insgesamt 27 Fördertöpfe, zu denen auch der Hauptstadtkulturfonds zählt und die einmal im Jahr öffentlich ausgeschrieben werden. Bewerben können sich alle Künstlerinnen und Künstler, die ihren ersten Wohnsitz in Berlin haben, ungeachtet der Staatsbürgerschaft. Angesichts der Masse an Kunstschaffenden und des begrenzten Budgets für die sogenannte freie Szene, ist eine Auswahl selbstredend unabdingbar. Eine Jury aus Fachleuten berät über die Anträge.

Es gibt zwei Arten von Förderung. Die Projektförderung dient dazu, einem Produkt (z.B. ein Theaterstück, Konzert oder Kunstkatalog) zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen. Die individuelle Künstlerförderung soll „Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit geben, sich für einen begrenzten Zeitraum sorgenfrei auf ihre Arbeit zu konzentrieren“, wie es in den Ausschreibungen heißt. Verständlicherweise verlangt die Bewerbung zwar eine Beschreibung des Arbeitsvorhabens, jedoch keine Selbstverpflichtung dieses während des Stipendiums auch abzuschließen. Kunst ist ja keine Dienstleistung, zumindest nicht im engeren Sinne. In Kunst wird investiert. Für die Kulturwirtschaft und für das Renommee.

Die Bundesrepublik Deutschland begreift sich, das steht im verfassungsrechtlich relevanten Einigungsvertrag, explizit als „Kulturstaat“. Die Künstlerförderung gehört – auch wenn das Grundgesetz noch keine Kulturstaatsklausel enthält und ein entsprechender Vorstoß im Juni im Bundestag abgeschmettert wurde – zum hiesigen demokratischen Selbstverständnis. Was in Deutschland bereits vordemokratische Tradition hat: Schon Fürsten, Könige und Kaiser förderten die Kunst, und das Engagement der Kirche war lange Zeit von tragender Bedeutung. Ein wichtiges Element bürgerlicher Selbstorganisation war der Verein. Gerade die Kunstvereine breiteten sich seit dem späten 18. Jahrhundert rasch aus und gaben Anstöße zur Gründung privater oder städtischer Museen.

 Künstler

Ulrike und Markus alias Ulrike Bernard ve Markues, beide 1985 geboren, studieren an der Universität der Künste Berlin und der Bezalel Academy of Arts and Design, Jerusalem. Ihre Serie aus Schwarz-Weiß-Fotografien zum Thema Bedingungsloses Grundeinkommen ist exklusiv für diese Beilage entstanden. Was sie gereizt hat, an diesem Projekt mitzumachen, beantworten die beiden Künstler selbst: „Wir arbeiten oft an eher ideell als monetär attraktiven Projekten. Bedingt durch die Selbst-Prekarisierung ist unsere Arbeit hier unentgeltlich und ohne Grundeinkommen entstanden. Dabei nähern wir uns dem Arbeits- und Subjektbegriff unter dem Paradigma der Eigenverantwortlichkeit sowohl fotografisch als auch selbstreferenziell.“bon

Der deutsche Kulturstaat war in der Vergangenheit immer wieder Umwälzungen unterzogen. Die Nivellierungen durch die Kriege, die 70er-Jahre und der „erweiterte Kunstbegriff“ von Beuys haben die vor allem auf nationale Einheit zielende, restaurative Kulturpolitik auf die Probe gestellt. Neben den humanistischen Bildungskanon sind neue Kunstformen getreten. Das bedingungslose Grundeinkommen würde die Grenzen hier noch weiter verschieben und dazu zwingen, die Frage, was Kunst ist, neu zu stellen.

Das Bild des leidenden Künstlers, der sich seine Kunst erhungern muss (Carl Spitzwegs „Armer Poet“ von 1839), ist in vielen Köpfen noch immer maßgebend. Die Beschäftigung mit Kunst sei Lohn genug, wird vorausgesetzt. Und in vielen Fällen ist sie es leider auch: Die soziale Lage vieler Künstler ist prekär. Das BGE könnte hier erlösend wirken und womöglich auch bei Freizeitkünstlern die Schaffenskraft stärken. Wer den Drang hat, sich künstlerisch auszudrücken, wird sich nicht auf die faule Haut legen. Im Gegenteil: Die Vorstellung, es sei der finanzielle Zwang, der die Kreativität erhöhe, ist schnöde Zweckrhetorik.

Was aber würde passieren, wenn nicht mehr nur eine geförderte Elite finanziell in der Lage wäre zu produzieren, sondern theoretisch jeder, der über den nötigen Antrieb verfügt? Ohne die Vorselektion durch Jurys bräuchte der Markt eigene Beurteilungskriterien. Einerseits würde das Hauen und Stechen um die vorderen Plätze durch eine Demokratisierung der Kunst von unten abgefedert. Andererseits ist Breitenkunst nicht wirklich wünschenswert. Mittelmaß und Massengeschmack dämmern am Horizont. Professionelle Evaluation müsste es weiterhin geben. Sie wäre allerdings nicht notwendig an Geld gebunden: statt Summen müssten Argumente fließen. Definitiv zöge das bedingungslose Grundeinkommen eine Diskussion über den Wert von Kunst nach sich.