: Trend zur Viertsprache
Sprachkurse haben in Hamburg Tradition. Auch exotische Sprachen finden großen Anklang. Englisch gerät zur Selbstverständlichkeit, zusätzlichen Nutzen verspricht beispielsweise Chinesisch
von Yasemin Ergin
Wer in seinem Lebenslauf unter der Rubrik „Sprachkenntnisse“ außer „Englisch“ nichts vorzuweisen hat, muss bei der Jobsuche mit starker Konkurrenz rechnen. Wenn auch in den meisten Berufen nur Zusatzqualifikation, steigt in Zeiten internationaler Vernetzung der Trend zur Dritt- oder Viertsprache, die gerne auch exotischer sein darf. Während etwa Sinologen früher oft belächelt wurden, lernt heute so mancher Chinesisch aus beruflichen Gründen, wie Corinna Nienstedt, Bereichsleiterin „Internationales“ der Handelskammer Hamburg, bestätigt.
In einer Stadt, die gerne als „Tor zur Welt“ bezeichnet wird, haben Sprachen einen besonderen Stellenwert. Traditionelle Handelsbeziehungen zu Asien und Lateinamerika erfordern schon lange solide Kenntnisse in Englisch und Spanisch. Letzteres übertrumpfe in Relevanz und Beliebtheit sogar das Französische, so Nienstedt. Ein eher unübliches Ranking, das mit den engen Kontakten der Hansestadt zu Südamerika zu erklären sei.
Würde man Sprachen anhand ihrer wirtschaftlichen Bedeutung messen, läge in Hamburg auf Platz vier nach dem Französischen Chinesisch – noch weit vor den osteuropäischen Sprachen. Falsch sei jedoch, sich „von allem ein Häppchen“ anzueignen. Am wichtigsten und in vielen Berufen vorausgesetzt sei verhandlungssicheres Englisch. Wenn es damit hapere, empfehle sich eher das Aufbauprogramm Englisch statt des Crashkurses in Mandarin.
Bestätigt werden diese Einschätzungen von Hamburger Sprachschulen. Berlitz etwa offeriert Lektionen in „allen lebenden Fremdprachen“. Obwohl Hamburg, was die Lust auf Sprachen angehe, eine besondere Dynamik besitze, seien doch die Englischkurse am gefragtesten, so Rainer Ziegeler, Regionaldirektor Nord bei Berlitz. Englisch führe damit die Liste der so genannten „A-Sprachen“ an. Zu diesen gehören außerdem Spanisch, Französisch, Deutsch als Fremdsprache, Italienisch und Portugiesisch.
Wer mag, kann bei Berlitz aber auch Chinesisch, Urdu, Arabisch oder Estisch lernen – bei speziell geschulten Muttersprachlern, in Einzel- oder Kleingruppenunterricht. Dass es das nicht zum Schnäppchenpreis gibt, versteht sich, und so sind es auch hauptsächlich Firmen, die ihre Leute vor wichtigen Reisen zu Berlitz schicken.
Nicht ganz so exklusiv geht es in der Volkshochschule Hamburg (VHS) zu. Aus unterschiedlichsten Gründen lernen Menschen aller Altersgruppen hier Fremdsprachen. Stichprobenartige Befragungen der Kursteilnehmer enthüllten, dass ein Hauptmotiv die Kommunikation im eigenen Land sei. So lernten viele Menschen Türkisch oder Russisch, um sich besser mit Migranten zu verständigen, berichtet Ute Haacke, Pressesprecherin der VHS. Viele ältere Kunden lernten Sprachen als mentales Training, verbunden mit einem starken kulturellen Interesse. Bei der jüngeren Generation dagegen sei die berufliche Motivation vordergründig. Auch Haacke sieht hier die von der Handelskammer erfassten Trends bestätigt. „Ein Renner“ bei jungen Leuten sei darüber hinaus Japanisch.
Ein Kooperationsprogramm der Volkshochschule mit der Uni Hamburg ermöglicht Sprachkurse zu besonders günstigen Konditionen. Nach individueller Beratung und Einstufung können Studenten für günstige 111 Euro neben den bereits erwähnten Standardsprachen Russisch, Niederländisch, Schwedisch oder eben Chinesisch lernen.
Es gibt natürlich auch nüchterne Positionen zum Thema Fremdsprachen. Peter Haas, Pressesprecher der Handwerkskammer, hat für dieses nur ein müdes Lächeln übrig. Es sei zwar auch im handwerklichen Bereich ganz schön, wenn Englisch-Grundkenntnisse vorhanden seien. Vielen Schulabgängern auf Jobsuche fehle aber etwas viel Wichtigeres: „richtiges und gutes Deutsch“.
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