Kein Recht auf eine genfreie Zone

30 europäische Regionen scheitern in Brüssel damit, Genpflanzen verbieten zu wollen. Die EU-Agrarkommissarin Fischer-Boel: Allenfalls können Bauern erklären, auf den Anbau zu verzichten. Ohnehin entscheide der Verbraucher

BRÜSSEL taz ■ Der Wunsch von knapp 30 EU-Regionen, sich als „genfreie Zone“ zu erklären und Genmais oder -raps zu verbieten, bleibt unerfüllt. „Die Möglichkeit von offiziellen genfreien Regionen gibt es im EU-Recht zurzeit nicht“, sagte die Kommissarin für Landwirtschaft, Mariann Fischer-Boel, bei einem Treffen mit Vertretern aus den Regionen gestern in Brüssel.

Denn solche Zonen würden auch gegen das europäische Wettbewerbsrecht verstoßen. Das schreibt vor, dass für alle Mitgliedstaaten, also auch für alle Regionen, die gleichen Marktbedingungen gelten müssen. Die einzige Möglichkeit, die den Regionen damit bleibt, sind freiwillige Zusammenschlüsse von Bauern. In Deutschland gibt es solche Initiativen zum Beispiel in 50 Regionen unter rund 11.600 Landwirten. Rechtlich bindend sind diese aber nicht.

Die Regionen, die sich zu der Initiative für genfreie Zonen in der EU zusammengeschlossen haben, befürchten, dass die Qualität ihrer landwirtschaftlichen Produkte unter den genveränderten Pflanzen leiden könnte. „Wir haben herausgefunden, dass eine Koexistenz von natürlichem und Genraps ohne breite Trennkorridore nicht möglich ist“, erklärte Hartmut Euler aus dem Umweltministerium in Schleswig-Holstein. Die Pollen verbreiteten sich über Wind und Bienen „viel zu schnell“. Das nördlichste ist das einzige Bundesland, dass sich der Initiative als Ganzes angeschlossen hat. Die meisten Regionen liegen in Frankreich, Italien und Österreich, aus denen traditionelle Qualitätsprodukte kommen. Insgesamt gehören der Initiative knapp 30 von insgesamt über 250 EU-Regionen an.

Ihre Vertreter forderten von der EU-Kommissarin europaweite Standards, etwa für die Kontrolle von gentechnisch veränderten Lebensmitteln und gleichzeitig mehr Freiheit für regionale Regelungen. Die Regionen seien zu unterschiedlich für eine einheitliche Gesetzgebung auf der Ebene der Mitgliedstaaten. Während in Schleswig-Holstein der Raps das Hauptproblem ist, geht es in der Bretagne zum Beispiel um Soja, das an Schweine verfüttert wird.

Jetzt hoffen die Regionen auf die neue EU-Verfassung. Die bekennt sich nämlich eindeutig zum Verbraucherschutz und zur Bewahrung der Umwelt. Bis zum Jahresende will die EU-Kommission die nationalen Gesetzgebungen zu Genpflanzen sammeln und analysieren. Erst dann will Fischer-Boel einen europaweiten Vorschlag machen: „Ich stelle mir das so vor wie einen Weihnachtsbaum. Hier in Brüssel geben wir das Grundgerüst vor und jedes Land dekoriert das dann mit seiner eigenen Gesetzgebung.“ Sehr umfangreich sollten diese Vorgaben aber in keinem Falle sein, meint die Kommissarin. Denn: Letztendlich entscheide der Verbraucher darüber, ob er gentechnisch veränderte Produkte kaufen will oder eben nicht. RUTH REICHSTEIN