piwik no script img

Lichtblick für Alleinerziehende

FAMILIE In Marzahn startet ein Modellprojekt: Akteure im Bezirk vernetzen sich, um alleinerziehenden Eltern bei Wohnen, Kita und Ausbildung zu helfen

„Na klar ist es ein Plattenbau, aber man steht ja nicht den ganzen Tag davor“, sagt Melanie Schimpke über das Gebäude, in dem sie vielleicht bald mit ihrem Sohn Leon Lukas leben wird. Schimpke ist 22 Jahre alt und weiß, wie schwer es ist, als Alleinerziehende eine Wohnung zu finden. „Mit Ach und Krach hat das damals geklappt“, sagt die junge Mutter, die mit 20 ihren Sohn bekam und sich bereits während der Schwangerschaft von dessen Vater trennte. Wie ihr ergeht es vielen: Der Anteil der Alleinerziehenden im Bezirk Marzahn-Hellersdorf liegt bei 44 Prozent.

In Zukunft sollen es junge Alleinerziehende leichter haben. Dafür haben sich verschiedene Akteure des Bezirks zusammengeschlossen und am Montag einen Kooperationsvertrag für das Projekt „Jule“ unterschrieben. Mütter und Väter zwischen 18 und 27 Jahren bekommen eine Wohnung, Hilfe bei der Kinderbetreuung oder der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Auch bei Behördengängen wird unter die Arme gegriffen. „Genau das, was ich mir schon damals gewünscht hätte“, sagt Melanie.

Den Anstoß für das Projekt gab das städtische Wohnungsunternehmen Degewo. „Der Bezirk gilt als Hochburg der Alleinerziehenden, viele von ihnen suchen bei uns eine Wohnung. Die wenigsten haben einen Schulabschluss oder eine Ausbildung“, schildert Frank Bielka, Vorstandsmitglied der Degewo, die Probleme, denen das Wohnungsunternehmen täglich begegnet. Und damit nicht genug: „Hartz IV ist die Regel, negative Schufa-Einträge sind nicht ungewöhnlich.“ Das Unternehmen will die jungen Menschen trotzdem im Bezirk halten und stellt dem Projekt deshalb vergünstigte Wohnungen in der Golliner Straße zur Verfügung. Noch wird renoviert. Spätestens im Mai sollen dann 15 Väter und Mütter mit ihren Kindern einziehen.

„Eine bezahlbare Bleibe ist erstmal das Wichtigste“, unterstreicht Marina Bikádi vom Kinderring Berlin. Als „Hausmutter“ wird sie sich um die Belange der jungen Frauen und Männer kümmern. „Wir wollen aber kein Betüddelungsprojekt sein. Die Teilnehmer sollen sich selbst helfen“, betont sie. Darum möchte die Sozialarbeiterin klare Zielvereinbarungen mit den Bewerbern abschließen. Spätestens nach fünf Jahren sollen die Familien auf eigenen Beinen stehen.

Damit das gelingt, wollen das Jobcenter und der Marzahn-Hellersdorfer Wirtschaftskreis beim Berufseinstieg helfen. Die Alice-Salomon-Schule begleitet das Modellprojekt „Jule“ wissenschaftlich – auch damit andere davon lernen können. Zudem unterstützt der Senat die Initiative mit 230.000 Euro aus dem Stadtbauprogramm „Aktionsräume Plus“.

Im Projekt lernen die Alleinerziehenden, wie man aus den Schulden herauskommt, sich gesund ernährt oder die Kinder sinnvoll beschäftigt. Melanie Schimpke sieht die Vorteile vor allem im Zusammenleben mit anderen Eltern: „Dann gibt es immer jemanden, bei dem man den Kleinen lassen kann.“ ANJA RILLCKE

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen