piwik no script img

wortwechselGuterres ist nicht das Schoßhündchen von Putin

Die Le­se­r*in­nen kritisieren, dass Guterres mitnichten der Vertreter des Westens, sondern der UN ist. Daher müssen die UN einen neutralen Standpunkt einnehmen

Bestimmt nicht einer seiner Lieblingstermine: Guterres beim Fotoshooting mit Putin Foto: Alexander Nemenov/ap

Guterres diskreditiert die Vereinten Nationen

taz vom 24. 10. 24

Guterres ist nicht der Vertreter des Westens

Man kann unterschiedlicher Meinung darüber sein, ob der UN Generalsekretär wegen des Ukrainekrieges an dem Brics-Gipfel Russlands hätte teilnehmen sollen. Immerhin vertreten die Brics-Staaten mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung.

Uns überrascht jedoch, wie die Kommentatorin darüber schreibt.

Da heißt es: „Der höchste Repräsentant des Völkerrechts kostet tatarisches Süßgebäck bei einem Verächter des Völkerrechts. ‚Ja schmeckt, nickt er.‘ Was ein Geschmack für Putin!“ und weiter: „Er findet offenbar nichts dabei, dass die Ukraine in der Abschlusserklärung … weit hinte(n) … auftaucht. Er sitzt da und bohrt sich im Ohr und sagt: ‚Wir brauchen Frieden.‘“

Unter Hinweis darauf, dass diese Brics-Staaten „genüsslich“ von sich gäben, der Westen sei am Ende, folgert sie: „Der einzige Vertreter des Westens (gemeint ist Guterres), lasse sich das gefallen“. Das ist anmaßend und schlicht falsch. Guterres ist mitnichten der Vertreter des Westens, sondern der UN, der etwa 200 Staaten angehören. ­Qualitätsjournalismus geht anders.

Der Beitrag ist wieder einmal einer der gelegentlichen Ausrutscher einer sachlichen und differenzierten Berichterstattung unserer ansonsten hoch geschätzten Tageszeitung.

Dieter Lehmkuhl und Sabine Pfeiffer, Berlin

Vertreter des Westens?

Habt ihr eigentlich so etwas wie eine Endkontrolle oder können alle bei euch schrei­ben, was sie wollen? Der UN-Generalsekretär ist für Frau Hartwich also ein „Vertreter des Westens“? Geht’s noch? Die UN sind „der Westen“? Deutlicher kann man das Fort­leben kolonialistischer Denkmuster wohl kaum machen als mit einem derartig peinlichen Fehlgriff. Adolf Claussen, Bremen

(Vielleicht will die Endkontrolle ja, dass Sie dieses Denken original mitbekommen – und dann einen solchen Brief schreiben; d. Korr.)

Die Guten und die Bösen

Dieser Kommentar zum Besuch des UN-Generalsekretärs in Kasan beim Brics-Treffen ist niveaulos. „Tatarisches Süßgebäck, ja schmeckt“, aha. „Er bohrt sich im Ohr“, wie bitte? Welch grandiose Aussagen und analytische Dichte – das ist bildzeitungsreif!

Klar, in der Schweiz, da trafen sich natürlich nur die Guten, die Demokraten – all die, die sich jetzt „kriegstüchtig“ machen zur Verteidigung der westlichen Werte, die sie an anderen Orten mit ­Füßen treten. In Kasan dagegen, dort kamen die Bösen zusammen, die Autokraten und Diktatoren dieser Welt, die wir verabscheuen und mit denen wir am liebsten gar nichts zu tun haben wollen.

Da passt es kaum in die Gedankenwelt, dass ausgerechnet Antonio Guterres, der oberste Vertreter des Völkerrechts in der UN, an deren Tisch aller Platz nimmt. Schlussfolgerung: Der Mann macht sich zum Hofhündchen von Putin. Natürlich ist Russlands Präsident ein Kriegsverbrecher, natürlich geht es um die Beendigung von Kriegen, dem Massen­sterben von Zivilisten weltweit und der Durchsetzung von universellen Menschenrechten auch in autokratischen Staaten. Aber wenn Diplomatie und die zugegeben schwierige Suche nach Wegen für einen Frieden in der Ukraine und anderswo so in der taz kommentiert wird, dann werden wir nie zu einem friedlichen Zusammenleben ­finden. Peter Lessmann-Kieseyer

Hauptziel Frieden

Guterres erledigt professionell seine Arbeit. Das Hauptziel der Vereinten Nationen und des Generalsekretärs ist der Frieden. Beim Brics-Treffen in Kasan hat der großartige Guterres die Gelegenheit zum Gespräch mit international wichtigen Vertretern genutzt. Leider gehört zu denen auch zwangsläufig der russische Präsident Putin. Das ist die Pflicht eines Generalsekretärs, seine Hauptaufgabe.

Die taz dagegen will dem Leser seit Jahren weismachen, nur immer weitere Waffenlieferungen verkürzten den barbarischen Krieg der Russen gegen die Ukraine. Hunderttausende Tote auf beiden Seiten der Front und ein verwüstetes Land sprechen eine ganz andere Sprache. Es ist jetzt die Zeit für Realpolitik, so unangenehm diese auch ist.

Jeder Tote in der Ukraine ist unendlich viel mehr Wert als die Milliarden, die sinnlos für Waffen und Munition verbrannt werden. Man wird in Europa zu einer Friedensarchitektur mit Einbeziehung Russlands kommen müssen. Das größte Lande der Erde wird nicht von der Landkarte verschwinden.Ulf Ellwardt, Oldenburg

Völker- und Menschenrecht

Man sollte sich doch von der Mär verabschieden, dass sich Völkerrecht und Menschenrechte von den westlichen Staaten ableiten würden. Es wäre schön, wenn sich Nato und EU vom Völkerrecht und Menschenrechten leiten lassen würden. Dann hätte sie die moralische Autorität, die Verletzungen dieser Werte von seiten Russlands anzuklagen.

Deshalb darf die UN sich hier nicht auf die Seite des Westens schlagen, sondern muss von einem neutralen moralischen Standpunkt agieren und sowohl gegenüber dem Westen also auch gegenüber nichtwestlichen Staaten Völkerrecht und Menschenrecht einfordern. Leser Uns Uwe auf taz.de

Institution von Nationen

Guterres macht doch nur eines deutlich: Die Vereinten Nationen sind eine Institution von Nationen, nicht von und für Menschen. Sie verhindern keine Kriege, reduzieren keine Gewalt und beugen keinem Völkermord vor.

Wer nach seiner Relativierung des Hamas-Terrors noch irgendeinen Zweifel daran hatte, dass sich Guterres niemals für die Rettung von Leben einsetzen würde, versteht es vielleicht jetzt.

Le­se­r*in Zangler auf taz.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen