Böhse Onkelz in Bremen: Besorgtes Erinnern

Der schlechte Ruf der Böhsen Onkelz scheint ungebrochen. So beschäftigt sich auch die Bremische Bürgerschaft zum Tourstart in Bremen mit der Band.

Die Bühne hat fast so viel Strahlkraft wie der schlechte Ruf der Band: Onkelz-Konzert auf dem Hockenheimring Foto: Daniel Naupold/dpa

Zur Idee der Resozialisierung bekennen wir Bürgerkinder uns immer ganz dolle. Jeder Mensch kann sich ja ändern. Nur in der Praxis, hier im Fall der prolligen Band Böhse Onkelz, tendieren wir dann vorsichtshalber zur faschistischen Lehre von den Unverbesserlichen. Das lässt sich gerade in Bremen erleben. Dort startet die Band am 17. August ihre Open-Air-Tour. Die 13 Konzerte in Deutschland sind ausverkauft.

In der Bremischen Bürgerschaft – so heißt hier das Parlament – hatte die SPD-Fraktion schon im Februar alarmiert nachgefragt: War da nicht mal etwas? Hatte die Band nicht in einer Zeit, als ihre heute über 50-jährigen Frontleute noch mehrheitlich unters Jugendstrafrecht gefallen wären, ausländerfeindliche Nazi-Punk-Songs gegrölt und Erfolge mit widerwärtigem Skinhead-Rechtsrock gefeiert? War damals nicht die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Dings eingeschritten?

Oh ja! So war’s! Groß-Onkel Stephan Weidner hatte das auch zugegeben und als „Scheiße“ bezeichnet im deutschen TV, als das noch aus drei Programmen bestand, stellt euch das mal vor, Kinder!

Damals hatten er und seine Kollegen versucht, etwas dagegen zu unternehmen, dass sie sich den Status als – aktuelle Eigendarstellung – „Kultobjekt aller europäischen Glatzen“ erarbeitet hatten. Es gab Beipackzettel für die Platten und die Band beschäftigte einen Ordnungsdienst, der Hitlergrüßer aus den Sälen zu schmeißen hatte. „Kaum eine bundesdeutsche Band hat in den letzten Jahren so häufig zum Thema Rassismus und Gewalt Stellung bezogen wie die Böhsen Onkelz“, resümierte schon 1994 Klaus Farin in der taz. Dennoch habe „ein Großteil der Öffentlichkeit dies überhaupt nicht registriert“.

Das gilt noch immer. Wohl auch in Neu-Ulm, wo die Band am 2. September auftritt, obwohl eine Petition das verhindern sollte. Aber in Bremen ist es doch noch überraschender, wenn jetzt die Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz (SPD) im Weser-Kurier die Forderung erhebt, die Band müsse ihre Haltung „zu dem Thema unmissverständlich“ klarstellen. Denn gerade hier, in Bremen, hatte sie für eine solche Klarstellung gesorgt: 1993 sind die Böhsen Onkelz auf Einladung des Senats als Headliner des Konzerts „Rock gegen rechts“ aufgetreten, 2001 gab es ein Benefiz-Konzert „Gegen den Hass“, unter Schirmherrschaft der Ausländerbeauftragten Dagmar Lill. „Was helfen uns Konzerte gegen rechts“, hatte Lill seinerzeit gefragt, „wenn nur Linke da sind?“

Das war ein Moment der maximalen Annäherung. Diese hat man nicht weiterverfolgt und auch die Band hat sie nach ihrer zwischenzeitlichen Auflösung und dem Comeback 2013 nicht erneut aufgegriffen.

Dabei bleibt die Erzählung, die Band könne präventiv gegen Rechtsradikalismus wirksam sein, sozialpädagogisch stimmig. Das Angebot seitens der Band gab’s. Die Bereitschaft, darauf einzugehen, war weniger ausgeprägt: Wir aus der Oberstadt mögen die halt nicht. Ihre Musik weht uns den Geruch von Männerschweiß in die Nase, von Frittenfett, Bier und Pisse. Der Vordenker der Resozialisierung, Rechtsphilosoph und Justizminister Gustav Radbruch (SPD), hatte als deren Erfolgsbedingung gefordert, ehemalige Missetäter „so zu behandeln, als wären sie schon gut“. Wir bleiben dagegen misstrauisch. Dass sie scheitert, ist ein Scheitern der Gesellschaft.

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Was die rechte Szene freut. Denn ihr ermöglicht die fortgesetzte Ausgrenzung, die Band weiter zur Identitätsstiftung, ihre Auftritte als Treffpunkt zu nutzen: Besorgte Nachfragen und wiederholte Aufforderungen zur dann geflissentlich überhörten Distanzierung wirken so wie Aufrufe an die Faschos, doch bitteschön Präsenz zu zeigen. Weil es die liebgewonnenen eigenen Feindbilder bestätigt.

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Jahrgang 1972. Seit 2002 bei taz.nord in Bremen als Fachkraft für Agrar, Oper und Abseitiges tätig. Alexander-Rhomberg-Preis 2002.

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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