Debütalbum „Die Mausis“: Mundwinkel in die Höhe treiben
Das Duo Die Mausis stellt sich mit dem Album „In einem blauen Mond“ vor. Sie kontrastieren wohlige Zweisamkeit zu Ängsten und anderen Fiesheiten.
Die durchschnittliche Entfernung der Erde zum Mond beträgt 384.405 Kilometer. Luftlinie Deutlich näher zusammen liegen da die pfälzische Gemeinde Herxheim und der nordfriesische Sehnsuchtsort St. Peter-Ording mit etwa 575 Kilometern Distanz. Von letztgenannter Gemeinde bis nach Eckernförde, bei Kiel an der Ostsee sind es wiederum nur etwa 80 Kilometer. Sollte man diesen überschaubaren Weg auf sich nehmen, könnte dort das „Mauseum“, ein Museum der Maus in Kunst und Kitsch, besucht werden.
Damit sind die wichtigsten Punkte abgesteckt, die es zur geografischen Einordnung des Debütalbums „In einem blauen Mond“ des Duos Die Mausis bedarf. Die Mausis, das sind Stella Sommer, die zuletzt vor allem solistisch unterwegs war (bekannt aber auch als Sängerin und Komponistin der Band Die Heiterkeit), sowie der Künstler Max Gruber alias Drangsal. Musikalisch lässt sich die unterschiedliche Ausrichtung der beiden Musiker:innen nur schwer in Kilometern messen, aber man kann ihre je eigenen Entwürfe ja beschreiben.
„Exit Strategy“ heißt das zuletzt erschienene, dritte Album von Drangsal. Hymnisch und schlageresk, gespickt mit eingängigen Wave und NdW-Sounds und textlich – egal ob auf Deutsch oder Englisch – immer gut. „Silence Wore A Silver Coat“ heißt der ebenfalls dritte Langspieler von Stella Sommer.
Darauf zu hören sind 24 größtenteils tieftraurige Songs, die von einer Wärme getragen werden, die im hiesigen Indieschaffen nur wenige so erzeugen können, wie es Stella Sommer kann.
Für „In einem blauen Mond“ rücken nun die beiden Musiker:innen nah zusammen und bündeln ihre Songwriting-Talente harmonisch zu einem intimen Werk, das sich so anfühlt, als würde man beim Hören mit ihnen im Studio sitzen. Oder im „Mauseum“. Ob sie das mal gemeinsam besucht haben, ist nicht bekannt, die Vorstellung ist aber eine schöne.
Alles in Ordnung bringen?
Diese seltsam heimelige Atmosphäre entsteht gleich zu Beginn des Albums. Nämlich dann, wenn sie die Hörerinnen im Intro mit ein paar Hallos begrüßen und sich erst einmal vorstellen. „Wir sind die Mausis / Von Herxheim nach St. Peter-Ording / Vom Süd-Westen bis in den Norden.“
Fast ist man geneigt, sich danach auch noch selbst vorzustellen, aber dann singen sie auch schon weiter. „Wir bringen es in Ordnung / für euch.“ Gut, dann eben keine Vorstellungsrunde. Dass wer hier mal wieder alles in Ordnung bringt, ist sowieso wichtiger.
Die Mausis:
„In einem blauen Mond“ (Käsescheiben/The Orchard Broken Silence); live: 16. 8. Kantine am Berghain, Berlin, 21. 8. Kampnagel, Hamburg
Wobei sie dieses Versprechen nur bedingt einlösen. Viel mehr nehmen Die Mausis die Hörerin mit in ihre wohlige Zweisamkeit, in der sie von Ängsten, von Fieslingen, vom nahenden „Supergouda“ singen und konstatieren: „Jedes Jahr ist gleich schlimm.“
Immer wieder finden sich Stellen, die einem die Mundwinkel kurz nach oben ziehen, mal lacht man auch mal länger auf – je nach Humorgrad: Wenn beispielsweise von einer „Mausweiskontrolle“ die Rede ist, dann reißt sich das dynamische Duo aber gleich wieder zusammen. Man will die Mausis ja nicht verschrecken.
„In einem blauen Mond“ ist damit so etwas wie die Vertonung von Camus’ „Mythos des Sisyphos“ in einfacherer Sprache. Es ist ein Werk, das so nur von Künstler:innen kommen kann, die sich eine gewisse Freiheit erspielt haben, niemandem mehr etwas beweisen müssen und es dann doch tun.
Bis auf einen Gastauftritt von Dirk von Lotzow hat man auf promotaugliche Features verzichtet. Wie schön (also beides, der Song und diese Entscheidung)! Eine weitere goldrichtige Entscheidung: Max Rieger (von Die Nerven) ist für die Produktion verantwortlich.
Ergoogelt man übrigens die Entfernung von der Erde zum Mond, taucht in den Suchvorschlägen weit oben der Eintrag „Wird der Mond eines Tages auf die Erde stürzen?“ auf. Falls dem so wirklich mal sein sollte, bitte einfach Die Mausis und den Raclette-Grill anwerfen und dem drohenden Weltende mit Käse, schöner Musik und Gelassenheit entgegensehen. In etwa so wie beim Finale von „Don’t Look Up“.
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