Hundefänger in der Türkei: Adoption, sonst bleibt nur der Tod

Erdoğans Regierung will Straßenhunden an den Kragen. Finden sie nicht in einem Monat Besitzer, sollen sie getötet werden – trotz starker Proteste.

Ein streunender Hund ruht vor der byzantinischen Hagia Sophia Moschee

Ein streunender Hund in Istanbul. Sollte er keine BesitzerInnen finden, dann sieht es schlecht aus für ihn Foto: Francisco Seco/dpa

ISTANBUL taz | Die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat am Mittwoch ein Gesetz im Parlament eingebracht, das die massenhafte Tötung von Straßenhunden vorsieht. Es soll das Jahrhunderte alte Problem der Straßenhunde lösen, indem sie gefangen und getötet werden sollen.

Demnach sollen eingefangene Hunde zunächst einen Monat in städtischen Tierasylen untergebracht und dann im Internet zur Adoption angeboten werden. Die Tiere, die dann keinen Besitzer gefunden haben, sollen getötet werden. Die frei gewordene Plätze in den Tierasylen werden dann wieder mit eingefangenen Hunden gefüllt, die nach demselben Muster erst angeboten und dann getötet werden sollen, bis das Problem der Straßenhunde gelöst ist.

Gegen die geplanten Tötungen gibt es starke Proteste, darunter von allen türkischen Tierschutzvereinen und der Standesvertretung der Tierärzte. HundeliebhaberInnen protestierten auf Demonstrationen gegen den geplanten Massenmord.

Gegner und Befürworter des Gesetzes liefern sich in den sozialen Medien heftige Gefechte. Anlass für das Gesetz ist laut Regierung die wachsende Gefahr, die von den Straßenhunden ausgehe. Angeblich sei die Anzahl der von Straßenhunden angegriffenen Menschen, darunter angeblich viele Kinder, in den letzten Jahren immer mehr angestiegen, sodass das Problem nicht mehr ignoriert werden könnte.

Tierschützer fordern Sterilisationskampagne

Regierungsanhänger posten Bilder von gebissenen Kindern, um die Gefahr der Straßenhunde zu zeigen. Dagegen lehnen Tierschützer das Massentöten ab und fordern stattdessen, die Hunde einzufangen, zu sterilisieren und in neu zu bauenden, kommunalen Tierheimen zu versorgen. Nur durch eine landesweite Sterilisationskampagne könne das Problem tiergerecht und dauerhaft gelöst werden, sagt der Tierärzteverband.

Ob die Straßenhunde, die zum alltäglichen Bild des Landes und vor allem der Großstädte gehören, tatsächlich zu einer größeren Bedrohung geworden sind, ist schwer nachprüfbar. Belastbare Zahlen gibt es dazu nicht, stattdessen emotionalisierende Internetkampagnen. Der eigene Augenschein spricht aber dagegen. In aller Regel liegen die Hunde friedlich in der Sonne und lassen sich selbst an belebten Plätzen nicht aus der Ruhe bringen.

In den meisten Nachbarschaften kennen die Leute „ihre“ Straßenhunde und versorgen sie auch. Viele HundefreundInnen haben in den letzten Wochen „ihren“ Straßenhunden Halsbänder umgehängt, damit Hundefänger sie nicht einsammeln.

Für das religiöse Lager sind Hunde „unrein“

Die Vehemenz der Auseinandersetzung zeigt, dass damit auch ein gesellschaftlicher Konflikt verbunden ist. Für das religiöse Lager sind Hunde per se „unrein“ und werden abgelehnt. Laut Erdoğan haben nur die Ungläubigen „weißen Türken“ Hunde, es sei denn, es sind nützliche Hirtenhunde auf dem Dorf.

Entsprechend ist die säkulare größte Oppositionspartei CHP strikt gegen die „Hundeeuthanasie“, aber auch die religiöse Neue Refah Partei, Erdoğans gefährlichste Konkurrenz auf religiöser Seite.

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