Fahrradstraße selbst gemacht: Nicht jeder Fake ist falsch

Ak­ti­vis­t*in­nen von Sand im Getriebe sprühen Pop-Up-Bikelane auf der Berliner Allee, um auf den Unwillen der CDU bei der Verkehrswende aufmerksam zu machen.

Foto: Luisa Ederle

BERLIN taz | Die Ver­kehrs­wen­de­ak­ti­vis­t*in­nen der Gruppe „Sand im Getriebe“ haben in der Nacht zu Donnerstag eine Spur von vier in der Berliner Allee zum Radweg erklärt. Etwa hundert Meter eines Streckenabschnitts vor dem Weißen See wurden mit weißer Kreidefarbe als Fahrradweg markiert und mit Piktogrammen versehen. Die Aktion soll auf das unzureichende Radwegnetz in Berlin aufmerksam machen. Und es scheint zu funktionieren. Lkws donnern in hoher Geschwindigkeit hier vorbei, die Autos fahren extrem dicht gedrängt.

„Das ist immer so, ich habe oft Angst“ erzählt eine Radfahrerin, die jeden Tag diese Strecke fahren muss: „Kürzlich hatte ich genau hier einen Unfall, ich wurde von einem Autofahrer abgedrängt, beim Sturz habe ich meinen Fuß verstaucht.“ Ein weiter Fahrradfahrer bestätigt diese Erfahrung „die Verkehrsführung ist total problematisch – an einer Stelle wird die zweispurige Straße plötzlich einspurig, alle drängeln und keiner hält Abstand zu den Radfahrern, das ist super gefährlich.“ Beide befürworten die Guerilla Aktion.

In der Pressemitteilung von Donnerstag macht Sand im Getriebe genau auf dieses Problem aufmerksam: „Radfahrende und ihre Sicherheit werden politisch absolut zweitrangig behandelt“. Ihre bereits etwas verschmierten Markierungen auf der Berliner Allee zeigen Wirkung: Einige der vorbeifahrenden Pkws bemerken die aufgesprühten Fahrradpiktogramme und wechseln schnell die Spur.

„Ich wünschte, sie würden den Weg einfach so lassen.“

Die Polizei wurde zwar auf die Aktion aufmerksam, jedoch fanden die Beamten diese Spur nicht. Auf Nachfrage der taz erklärte ein Pressesprecher der Polizei, dass die Strecke zwar geprüft wurde, doch die Pop-up-Bikelane nicht entdeckt wurde. Er vermutet, dass es sich bei den in Umlauf geratenen Bildern um KI-generierte Fakes handle oder sich die verwendete Farbe schon aufgelöst habe. „Ich wünschte, sie würden den Weg einfach so lassen. Ich fahre oft auf dem Gehweg, da meckern verständlicherweise die Fußgänger, aber es geht nicht anders“, erzählt sagt eine weitere Radfahrerin achselzuckend. Ute sieht das anders. „Fahrradfahrer sind die Mercedesfahrer von heute – denken, sie hätten die Vorfahrt gepachtet“, findet die 62-jährige „Wenn Fahrradwege auf Kosten der Autofahrer gebaut werden, sinkt die Akzeptanz und die Autos fahren noch aggressiver.“

Diesen vorauseilenden Gehorsam gegenüber Autofahrern kennt man auch von der CDU. Die stellt die neue Verkehrssenatorin Ute Bonde, die sich gegen eine Einschränkung des Individualverkehrs ausspricht. Der Verein Changing Cities will erfahren haben, dass für die geplanten Radschnellverbindungen (RSV), eigentlich das Leuchtturmprojekt der Berliner Verkehrswende, weniger finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, als zunächst angenommen. Statt 10 wird es vermutlich nur noch eine RSV geben. Laut Mobilitätsgesetz müsste sich das Berliner Radnetz bis 2030 auf 2.698 Kilometer ausweiten, aktuell sind es unter 150, erklärt Sand im Getriebe. In der Zwischenzeit taucht ein Mann in Warnweste und Badelatschen auf. Mit grüner Sprühfarbe durchkreuzt er jedes einzelne Fahrradpiktogramm. Die Strecke ordnungsgemäß mit Warndreiecken abgesperrt hat er nicht. Wer er ist und von wem er beauftragt wurde, wollte er nicht beantworten.

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