Pride-Paraden in Berlin: Queeres Volksfest gegen die AfD

Mindestens 250.000 zogen am Samstag beim CSD durch Berlin, um queeres Leben zu feiern. Dabei gab sich die Parade erfreulich politisch.

Tausende Menschen feiern bei der 46. Berlin Pride-Parade zum Christopher Street Day (CSD). Auf einem Plakat, das von einem Teilnehmer des Zuges gezeigt wird, wird ein Verbot der AfD gefordert.

Bunt statt braun: Teil­neh­me­r:in­nen beim CSD am Samstag

BERLIN taz | Warum der Christopher Street Day trotz aller Kritik an zunehmender Kommerzialisierung und Vereinnahmung eine unverzichtbare Institution ist, machte Sophie Koch bei ihrer Eröffnungsrede klar: „So viele Menschen hier heute zu sehen gibt mir Kraft“, rief die sächsische LGBTQI-Aktivistin der bunten und glitzernden Menge zu, die sich am Samstagmittag zu Beginn der Parade auf der Leipziger Straße versammelt hatte.

„In Sachsen sind wir Queers schon jetzt bedroht von rechten Mehrheiten.“ Angesichts der Wahlerfolge der AfD sei es umso wichtiger, den Schutz queeren Lebens ins Grundgesetz mit aufzunehmen, eine der Kernforderungen der diesjährigen Parade.

Koch hielt die Eröffnungsrede für Kai Wegner, der in seiner Funktion als Regierender Bürgermeister auch dieses Jahr den CSD hätte einläuten sollen. Doch da er mit der 2023 an gleicher Stelle versprochenen Bundesratsinitiative nicht aus dem Knick kam, luden die Or­ga­ni­sa­to­r:in­nen ihn kurzerhand wieder aus.

Vermisst dürfte den CDU-Politiker ohnehin kaum jemand haben, im Gegensatz zum guten Wetter. Gerade zu Beginn und Ende der Parade sorgte stundenlanger Starkregen dafür, dass viele sowieso schon sehr knappe Outfits völlig durchnässt waren. Trotzdem war die Beteiligung gut: Insgesamt dürften es 250.000 Menschen gewesen sein, die zu Techno, Pop und Disco feiernd durch Berlin zogen. Insgesamt 75 Wagen bildeten den kilometerlangen Aufzug, der sich bis zum Abend zum Endpunkt am Brandenburger Tor schlängelte.

Imagepolitur für Großunternehmen

Vertreten waren nicht nur Vereine wie die Aidshilfe oder die Schwulenberatung, sondern auch zahlreiche Unternehmen. Dass nicht gerade durch ihren sozialen Impact glänzende Firmen wie Bayer, Amazon und Lieferando den CSD nutzen, um mit Pinkwashing ihr Image aufzupolieren, blieb auch in diesem Jahr nicht aus. Immerhin fehlten die kontroversen Polizei- und Bundeswehrtrucks.

„Den CSD mies zu machen, nur weil er kommerziell wäre, finde ich eine arrogante Einstellung“, sagte der Teilnehmer Axel Wippermann. Gerade für viele Queers aus dem Umland sei der CSD ein wichtiges Event. Der 65-Jährige trug ein Schild mit der Aufschrift „Stonewall is not over“, eine Anspielung auf das wachsende queerfeindliche Klima in der Gesellschaft.

Dass Queerfeindlichkeit eine ganz reale Bedrohung ist, bewies eine Gruppe von zwei Dutzend Neonazis, die sich im Vorfeld verabredete, um die Parade anzugreifen. Die Polizei konnte die Neonazis allerdings noch vor Beginn der Parade am Potsdamer Platz festsetzen und somit Angriffe auf Teil­neh­me­r:in­nen verhindern.

Das offizielle Motto „Nur gemeinsam stark – für Demokratie und Vielfalt“ sollte zwar auf die Gefahren durch AfD und Rechtsruck hinweisen, war aber auch ein Seitenhieb auf die vielen Konflikte innerhalb der Community. Beim Thema Nahostkonflikt klappte das mit der Gemeinsamkeit am Samstag nur leidlich. Während die Queers for Israel mit mehreren hundert Menschen an der Spitze israelische Fahnen schwenkten, blieb der größte Teil der queeren palästinasolidarischen Bewegung dem CSD fern.

Die Palästina-Aktivist:innen fokussierten sich – wie bereits in den Vorjahren – voll und ganz auf ihren eigenen Pride, den Internationalistischen Queer Pride, der am Samstagnachmittag nach Polizeiangaben mit 8.000 Menschen durch Neukölln und Kreuzberg zog. Die Or­ga­ni­sa­to­r:in­nen sprachen von bis zu 15.000 Teilnehmer:innen. So friedlich wie beim CSD blieb es dabei nicht: Die Polizei setzte Festnahmen rabiat durch, wie auf einem Video auf der Nachrichtenplattform X zu sehen ist. Auch kam es laut Polizei aus der Demo heraus zu Flaschenwürfen.

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