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Wenn die Schwächeren die Stärkeren sind

Selbst im freigeistigen Kreuzberg gibt es Regeln. Da hält man sich auch dran. Dass man mit dem Rad auf den Gehwegen unterwegs zu sein hat, zum Beispiel. Weil die Straßen hier gern noch mit Kopfsteinpflaster aufwarten und der Radfahrer doch der Schwächere wäre gegenüber den Autos. Jedenfalls ist das mit dem Rad auf dem Gehweg in Kreuzberg nicht die Ausnahme, es ist die Regel. Gewohnheitsrecht.

Tatsächlich passiert auch selten was. Die Gehwege hier sind oft breit. Und die zu Fuß wissen ja, dass sie aufpassen müssen.

Jetzt zur EM-Zeit sind diese breiten Gehwege vor den Spätis gut besetzt mit den sich vor den Fernsehschirmen bildenden Gemeinschaften. So voll war es bei dieser Achtelfinalbegegnung, dass nur ein paar Zentimeter blieben als Durchgang für die, die sich nicht so für Fußball interessieren. Fußgänger huschten schnell durch die Gasse. Manche Radler schoben ihr Rad. Und viele fuhren einfach durch.

Berlin-Kreuzberg

152.200 Ein­wohner*innen.

Natürlich arbeitet man auch in dem Ortsteil an der Verkehrswende. Irgendwie. Für Radfahrer gibt es sogar eine „Radbahn“ unter einer Hochbahn. Eine Teststrecke, teuer erbaut, 200 Meter lang. Und schon jetzt nicht mehr den Normen ent­spre­chend.

Da brauchte es schon einen starken Willen und Geschick, um den Fußballguckern nicht über die Zehen zu fahren. Eine wirklich souveräne Ich-Bezogenheit in diesem Laisser-faire-Kreuzberg. „Das ist“, meinte meine Sitznachbarin. „schon auch typisch deutsch.“ Thomas Mauch

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