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orte des wissensPlatt hat kein schlechtes Image mehr

Das Länderzentrum Niederdeutsch in Bremen hat eine digitale Linguistic Landscape entwickelt und versteht sich auch als Lobbyist

Im norddeutschen Raum schnacken etwa 2,5 Millionen Menschen Platt. Auch deshalb hat Deutschland 1999 die Europäische Charta für Regional- und Minderheitensprachen ratifiziert. Mit ihr entstanden rechtliche Grundlagen, auf denen heute auch die Finanzierung des Länderzentrums für Niederdeutsch (LZ) fußt. Es setzt sich für die Förderung und Weiterentwicklung des Niederdeutschen ein. Für nur drei MitarbeiterInnen sei diese Aufgabe „schon ziemlich anspruchsvoll“, erzählt Thorsten Börnsen, der Geschäftsführer und gelernte Historiker, zumal derzeit nur zwei der Stellen voll besetzt seien.

Das Länderzentrum besteht aus vier Gesellschaftern einer gemeinnützigen GmbH: den Ländern Bremen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen. Bis dato hatte das seit über 40 Jahren bestehende Institut für Niederdeutsche Sprache (INS) deren Förderung erhalten. Der damalige Direktor war 2014 in behördliche Ungnade gefallen (taz berichtete). 2016 wurde die Förderung des INS gestoppt und 2018 das LZ neu aufgebaut, ohne personelle Überschneidungen. Zum weiter bestehenden Institut für Niederdeutsche Sprache e. V. mit Sitz in Bremens Zentrum gibt es laut Börnsen zwar Kontakt, aber nur wenige Kooperationen.

Der Verdrängungsprozess von Minderheiten- und Regionalsprachen durch Standardsprachen betreffe im übrigen Länder in ganz Europa, sagt Börnsen. Auch dem Plattdeutschen haftete früher ein schlechtes Image an. Wer es sprach, galt als bildungsfern – ein Grund für viele Eltern, die Sprache nicht weiterzugeben. Heute sei das wieder anders, sagt Börnsen. Der schlechte Ruf sei überwunden, und der Trend hin zum Regionalen schlage sich auch in den Sprachen nieder.

Eine „Linguistic Landscape“, auf der Webseite des Länderzentrums etwa macht die Sprache mit Hunderten von Einträgen überall auf der Weltkarte sichtbar. Sprachdokumente auf Platt können dort als Foto hochgeladen und am jeweiligen Ort des Fundes eingetragen werden.

Im Bremer Kulturzentrum Tabakquartier findet dieses Jahr am 23. November das Finale von „Plattbeats“ statt. Gespielt wird um den besten plattdeutschen Song des Jahres. Das Länderzentrum hat den Musikwettbewerb mit organisiert. Es hilft bei Übersetzungen eingereichter Texte. Plattkenntnisse sind keine Voraussetzung, und alle im Alter von 15 bis 35 können sich bewerben. Über Plattbeats sei das Länderzentrum auch im Austausch mit „Liet International“, sagt Börnsen. Das sei quasi der Eurovision Song Contest für Regional- und Minderheitensprachen.

Die Auszeichnung „PlattHart“ wird an Pflegeeinrichtungen verliehen, die mit dem Niederdeutschen arbeiten

Ein weiteres Projekt des Länderzentrums ist die Auszeichnung „PlattHart“. Sie wird an Pflegeeinrichtungen verliehen, die mit dem Niederdeutschen arbeiten. Denn viele kehrten im Alter zurück zum Plattdeutschen, sagt Börnsen. Gerade Menschen mit Demenz seien in ihrer Muttersprache auf eine ganz andere Weise erreichbar. Wer Fragen rund ums Platt und dessen Übersetzungen hat, dem steht das LZ offen. Wer die Sprache neu lernen oder auffrischen möchte, kann online Sprachkurse buchen. Auch in politischen Ausschüssen der Länder setzt sich das Länderzentrum für das Niederdeutsche ein. Denn eine Berücksichtigung in Medien, Schulen und Bildung sei gar nicht so leicht durchzusetzen: „Nicht jeder hat Platt ganz oben auf der Agenda stehen“, sagt Börnsen. Trotzdem erreiche man durch Kooperationen eine langfristige Stärkung.

Mittlerweile gibt es in allen am Länderzentrum beteiligten Bundesländern Schulen, die Platt als Unterrichtsfach anbieten. In Schleswig-Holstein gibt es allein rund 50 solcher Modellschulen, in Hamburg etwa zehn. Das Länderzentrum entwickelt in Zusammenarbeit mit LehrerInnen auch Lehrbücher. Die Angebote reichen von der ersten Klasse bis in die Sekundarstufen. Lilli Uhrmacher

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