Alles auf Anfang

Eine Ausstellung in der Villa Oppenheim beleuchtet das erste Ausbildungsjahr der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin

Von Silvia Hallensleben

1954 wurde die Deutsche Hochschule für Filmkunst in Potsdam-Babelsberg gegründet. Im Januar 1966 trat dann als erste reine Filmhochschule der BRD die von Bund und Land paritätisch getragene Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin DFFB am Westberliner Theodor-Heuss-Platz an. Ende Mai begann die viertägige Aufnahmeprüfung für die aus etwa tausend Anmeldungen vorausgewählten 74 BewerberInnen des ersten Jahrgangs. Bestanden hatte auch der Videokünstler und Filmemacher Gerd Conradt, der zuerst 1982 und 2001 dann mit „Starbuck – Holger Meins“ seinem Kommilitonen ein filmisches Porträt widmete. Nun ist Conradt auch Initiator einer von Frederik Lang kuratierten Ausstellung in der Villa Oppenheim, die sich gezielt dem ersten Ausbildungsjahr an der Hochschule widmet. Denn die nach dem 2. Juni 1967 aufbrausende Revolte in der Stadt war auch für den filmakademischen Aufbruch eine scharfe Zäsur.

Für die Schau werden in einem Raum des Museums Charlottenburg-Wilmersdorf in vier „Kapiteln“ detailliert institutionelle Grundlagen, Personal, Studienkonzept, realisierte Filmprojekte und gesellschaftliche Resonanz in Fotos, reproduzierten Originaldokumenten, erläuternden Texttafeln und Filmbeispielen vorgestellt. Als Raumobjekte gibt es ein Nagra-Aufnahmegerät in einer Vitrine und zwei dekorative Stativkameras aus dem Bestand der DFFB.

„Im Januar 1966 saßen Heinz Rathsack und ich in zwei leeren Räumen, in denen es nur Schreibtische und Telefone gab“, so ein Zitat des künstlerischen Direktors Erwin Leiser über den Beginn der Aufbauarbeit: Eine echte Stunde null also, alles vom Mobiliar bis zu Lehrplan und Satzungen musste neu erfunden und geschaffen werden. Leiser war ein aus dem schwedischen Exil zurückgekehrter Regisseur antifaschistischer Dokumentarfilme. Verwaltungsdirektor Heinz Rathsack kam aus der schleswig-holsteinischen Kulturministerium. Nach drei Monaten wurden als erste hauptamtliche Dozenten der Regisseur Peter Lilienthal und der Filmpublizist Ulrich Gregor eingestellt.

Am Ende ist es schade, dass die Schau zeitlich dort endet, wo die heißen Zeiten der DFFB begannen

Unter und zwischen den vielen klug ausgewählten Fotos sind die Dokumente (meist in Originalgröße) an die Wand gebracht, während noch tiefer auf einer horizontalen Leiste textliche Zusammenfassungen und Erläuterungen zu lesen sind. So gelingt es, die historischen Zeugnisse zugänglich zu machen und zugleich in ihrem Charakter als zeithistorisches dokumentarisches Material zu erhalten und zu würdigen. Im komplett gezeigten dreiseitigen Formular der ersten Aufnahmeprüfung etwa ist zu lesen, dass neben der Funktion von Farbe im Film auch das Wissen zum „gegenwärtigen deutsch-israelischen Verhältnis“ oder dem letzten Parteitag der KP der UdSSR abgefragt wurde.

Extraabschnitte sind der Frage der Kooperation, der Stadt Berlin als Sujet und den (nur) drei Frauen des ersten Jahrgangs gewidmet: Gerda Kramer, Irena Vrkljan und Helke Sander, die in der „Beurteilung der Produktionsbedingungen“ zu ihrem Film „Subjektitüde“ trocken anmerkt, dass sie zu dem von Dozent Jiří Weiss vorgegebenen Thema „Boy Meets Girl“ „ursprünglich keine Beziehung hatte“. Überhaupt geben die oft selbstreflexiven Anmerkungen in diesem standardisierten Format einsichtsreiche (und oft komische) Einblicke in den kreativen Umgang mit Dozenten-Unsinn und dem durchgehenden Mangel an Zeit, Geld und Material. Am Ende ist es doch schade, dass die Schau zeitlich genau dort endet, wo die heißen Zeiten der DFFB begannen. Doch lässt sich gemütlich zu Hause auf dem Sofa weiterstudieren im informativen (und auch in der Ausstellung verlinkten) Onlineauftritt der Kinemathek zur Geschichte der DFFB. Im Museum selbst stehen freundlicherweise wenigstens Papphocker, um die zum Teil umfangreichen Texte im Sitzen zu lesen.

„Das erste Jahr. Aufbruch an der DFFB 1966/67“, Villa Oppenheim, bis 11. ­August 2024