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wortwechselLong Covid, Rauchverbot und Höcke

Gesundheit: Raucher könnten sich für ein gesunderes Leben entscheiden, Long-Covid-Pa­tienten würden gern gesund werden, aber die Mittel sind teuer, die Behandlung ist schwierig

Winston Churchill: das waren noch Zeiten für Raucher … Foto: imago

„Finger weg von meiner Kippe“

taz vom 19. 4. 24

Missbrauch der Toleranz

Jeder hat die Freiheit, seine Gesundheit selbstbestimmt zu gefährden, solange sie „niemand anderem direkt schadet“ schreibt der Autor Leon Holly. Das kann man so unterschreiben, jeder soll nach seiner Fasson glücklich werden. Aber gerade darin liegt auch der Hase im Pfeffer: Missbrauch der Toleranz! Hierzulande muss man beim Hotel-, Restaurant- oder Theaterbesuch Schwaden von Rauch durchqueren und knietief durch Kippen waten (trotz aufgestellter Aschenbecher!!!). Als ehemaliger Raucher kenne ich die Sucht und kann das nachvollziehen, aber nicht mehr akzeptieren. Mit heftigen Geldstrafen, die auch durchgesetzt werden (Singapur, New York, Kanada), kann man dieses Problem wirkungsvoll bekämpfen und jeder kann trotzdem rauchen bis zum Abwinken, ohne Andere zu belästigen. Schöner wäre allerdings, wenn Raucher freiwillig mehr Rücksicht auf ihr Umfeld nehmen und ihren Dreck mitnehmen. Bleibt ein schöner Traum … (nicht nur für Raucher)

Hans Kitzerow, Limburg

Verbot nicht sinnvoll

Vielen Dank für diesen Artikel, dem ich nur zustimmen kann. Weder ist eine Prohibition sinnvoll, noch wird sie funktionieren. Leider lässt sich dieselbe Logik auch auf das Klimaproblem anwenden: Die Entscheidungen, wie viele Zigaretten ich rauche, wie viele Drinks ich am Freitagabend einnehme, wie viel Sport ich nächste Woche treiben oder wie viel Zucker ich essen werde, wird sicher niemand delegieren wollen, genauso wenig aber auch, wie viele Urlaubsreisen ich mit dem Flugzeug, wie viele Kilometer ich mit dem Auto zurücklegen will (und wie schnell ich dabei fahre). Niemand wird das delegieren wollen, womit alle Versuche der Reduktion der Emissionen des Verkehrssektors ad absurdum geführt werden. Gleiches gilt natürlich für alle weiteren Konsumbereiche, Lebensmittel, Energie usw. Letztlich bleibt es damit dabei, dass der Planet, auf dem wir leben, immer weiter ausgebeutet werden muss.

Ansgar Friedrich, Wörrstadt

Zauber und Fluch

Finger weg von meiner Kippe, verlangt der taz-Autor und pocht auf sein Recht auf unvernünftige Entscheidungen. Ich habe in jüngeren Jahren den Zauber von gerauchten Zigaretten erlebt. Ich erinnere mich an alle magischen Momente, das waren vielleicht fünf oder sechs Zigaretten, die eine verzauberte Situation noch übersinnlicher werden ließen. In allen übrigen Fällen während der langen Raucherjahre war bald klar, es war ein Fluch. In Großbritannien kann jede, die heute legal Zigaretten kaufen kann, sie auch in Zukunft kaufen. Das Rauchen aufgeben kann dagegen nur rein theoretisch jede, praktisch kann dies leider nicht jede und auch nicht jeder.

Unser FDP-Bundesjustizminister Buschmann ignoriert das extrem hohe Suchtpotential von Nikotin, wenn er verkündet: „Ich glaube, erwachsene Menschen können selber entscheiden, was sie konsumieren wollen und was sie nicht konsumieren wollen.“ Seine britische Kollegin, die Gesundheitsministerin Victoria Atkins, sagt, solche gesetzlichen Maßnahmen würden nur dann nötig, wenn es die Überzeugung gebiete, „dass es in Abhängigkeit keine Freiheit geben kann“. „Nikotin beraubt die Menschen ihrer Willensfreiheit. Die große Mehrheit der Raucher fängt damit an, wenn sie jung sind, und drei Viertel sagen, dass sie nicht damit angefangen hätten, wenn sie die Uhr zurückdrehen könnten.“ Wenn Rauchen magisch ist, ist Rauchen für die meisten Menschen ein Fluch. COPD ist eine Lungenkrankheit, die unaufhaltsam fortschreitet, selbst wenn die erkrankte Person es doch schließlich schafft, das Rauchen aufzugeben. Raucher und Raucherinnen leben nicht nur kürzer, sie leben auch viele Jahre lang schlechter, zu einem zunehmend großen Teil sehr schlecht. Das Motto des diesjährigen Weltnichtrauchertages der Weltgesundheitsorganisation am 31. Mai: Schutz der Kinder vor dem Einfluss der Tabakindustrie. Die älteren Abhängigen, auf denen der Fluch der Sucht liegt, dürfen weiter Zigaretten kaufen und rauchen. Ihnen nimmt niemand ihre Kippen weg.

Karin Spatz, Regensburg

Höcke als Hamlet

„Wer findet sich da denn schon wieder“, taz vom 19. 4. 24

Der Prozess gegen Höcke in Halle (Saale) erweist sich schon jetzt als politisches Lehrstück, in dem sich Höcke in der Rolle des Hamlet präsentiert. Seine Anwälte werden ihm bei dem Versuch souflieren, der Zuschauerschaft vorzuführen, es sei „etwas faul im Staate“ Deutschland, und an ihm, Höcke, würde ein juristisches Exempel statuiert. Höcke setzte in den Interviews, die er nach dem ersten Prozess­tag gab, schon mal den Ton. Das Verfahren werde im Kern gegen die gesamte Opposition geführt. Russland und andere Diktaturvergleiche sind da nur einen Klick entfernt.

Jenseits des juristischen Ausgangs des Verfahrens ist der Prozess für Höcke schon jetzt eine Bühne, auf der er Hauptdarsteller und Regisseur in einem ist. Es bedarf keiner prophetischen Fähigkeit für die Vorhersage, dass der Prozess sich mit jedem Verhandlungstag zu medialen Höcke-Festspielen entwickeln kann, von denen die AfD profitieren möchte.

David Begrich (Arbeitsstelle Rechtsextremismus), Magdeburg

Scheitern erlauben

Man erinnere sich daran, dass Hitler erst nach seiner Verurteilung und seinem Gefängnisaufenthalt mehr Zulauf für seine Partei und seinen fatalen Kurs bekam. Ob also eine Verurteilung Höckes und der AfD gut oder schlecht ist, muss sich noch zeigen. Die AfD würde ich nicht wählen. Aber das Ausgrenzen durch andere Parteien ist nicht zielführend, finde ich. Die AfD muss im politischen Alltag in die Pflicht genommen werden und muss Gelegenheit bekommen, zu scheitern. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass die AfD stärkste Kraft würde, ohne vorherige Gelegenheit, sich selbst zu entzaubern. Bernd Hoehne

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