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Ein bitteres Remisfür Jürgen Klopp

Alle Welt schwärmt vom Duell Manchester City gegen Liverpool. Doch da ist noch ein dritter Klub

Von Hendrik Buchheister

Dem Sturm folgte Frieden. Fast 100 Minuten hatten sich der FC Liverpool und Manchester City ein episches Duell geliefert im tosenden Anfield-Stadion, mit allen Inhaltsstoffen, die ein Fußballdrama benötigt: ein Tor für jede Mannschaft, eine Vielzahl an Chancen, Pfosten- und Lattentreffer, ein Torwartwechsel und, ganz am Ende, eine höchst umstrittene Schiedsrichterentscheidung. Nach dem Abpfiff waren Bilder der Harmonie zu besichtigten. Die traditionelle Umarmung zwischen Jürgen Klopp und Pep Guardiola wirkte besonders innig – die beiden waren sich zum letzten Mal in der Premier League begegnet – wegen Klopps Abschied im Sommer. Dann marschierten die Trainer auf den Rasen und beglückwünschten nicht nur die eigenen Profis zu ihrem Beitrag zu einem „Unentschieden für die Ewigkeit“ (Guardian). Die Fans beider Lager applaudierten den Protagonisten höflich.

Die Eintracht nach Abpfiff passte zu den Implikationen des vorerst letzten Treffens zwischen Klopp und Guar­diola. Liverpool und Manchester City, die prägenden Mannschaften der vergangenen Jahre im englischen Fußball, erlitten durch ihr packendes 1:1 ein gemeinsames Schicksal. Sie wurden in der Tabelle der Premier League zurückgestuft auf die Plätze zwei und drei hinter dem neuen Spitzenreiter FC Arsenal, der seit dem Jahreswechsel acht Siege in acht Spielen einfuhr. Zuletzt gab es ein 2:1 gegen den FC Brent­ford. Dass sich drei Mannschaften um die Meisterschaft duellieren – das gab es in England zuletzt im Zeitalter vor Klopp und Guardiola.

Dauermeister und Cham­pions-League-Sieger Manchester City gilt zwar immer noch als Topfavorit. Der Datendienst Opta zum Beispiel beziffert die Titelwahrscheinlichkeit des Klubs auf 46 Prozent – was auch immer das bedeutet. Doch auch Liverpool hofft auf die Krönung. Das 1:1 im direkten Duell war aus Sicht des Klubs ermutigend und enttäuschend zugleich. Ermutigend, weil Liverpool mit einer dramatisch ersatzgeschwächten Elf nach dem 0:1 durch John Stones wie schon so oft in dieser Saison zurückkam, den Ausgleich durch den Argentinier Alexis Mac Allister per Elfmeter schoss und über weite Strecken der zweiten Halbzeit überlegen war.

Klopp schwärmte sogar von „der besten zweiten Halbzeit jemals gegen Manchester City“. Alleine der unaufhaltsame Luis Díaz hätte die Veranstaltung mehrmals zu Liverpools Gunsten entscheiden können. Beziehungsweise: müssen.

Weil es der Mannschaft allerdings nicht gelang, die Überlegenheit zu einem Sieg zu veredeln, war Missmut spürbar in Liverpools Delegation. Von einem „bittersüßen“ Gefühl sprach Kapitän Virgil Van Dijk. Klopps Versuch, sich mit dem Remis zu arrangieren, klang so: „Das Ergebnis ist alright. Es ist nicht das, was wir wollten.“ Seine Laune wurde zusätzlich dadurch getrübt, dass seiner Elf seiner Meinung nach ein klarer Elfmeter vorenthalten worden war. In der achten Minute der Nachspielzeit nahm City-Profi Jérémy Doku beim Kampf um den Ball das Bein so hoch, dass er Mac Allister die Stollen in die Brust rammte. „Was muss man zum Mittag gegessen haben, dass das nicht klar und offensichtlich war?“, fragte Klopp in Richtung von Schiedsrichter Michael Oliver und dessen Videoassistent Stuart Attwell.

Viele Betrachter in England hatten das letzte Treffen zwischen Klopp und Guardiola in der Liga zum entscheidenden Duell um die Meisterschaft hochgejubelt, doch diese Verheißung wurde nicht eingelöst. Dafür brachte die Partie die Erkenntnis, dass Liverpool auch ersatzgeschwächt und mit Spielern aus dem Nachwuchs, die Jarell Quansah oder Conor Bradley heißen, mit Manchester City mithalten, sogar an den Rand einer Niederlage bringen kann. Klopp ist von der Konkurrenzfähigkeit seiner Mannschaft überzeugt. „Wir können die ganze Strecke gehen. Lasst uns schauen, was wir dafür bekommen!“, sagte er. Den Ligapokal hat Liverpool schon gewonnen, im FA Cup und in der Europa League ist der Klub noch dabei, und auch die Meisterschaft ist weiter möglich. Nur teilt sich Liverpool in der Liga neuerdings ein Schicksal mit Manchester City: beide Teams verfolgen den FC Arsenal.

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