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wortwechselTalkshow-Theater schützt vor AfD-Faschismus – nicht

AfD-PolitikerInnen werden immer häufiger in das öffentlich-rechtliche Talkshow-Programm eingeladen – da sie eine „demokratisch gewählte Partei“ vertreten. Was wird da „getalkt“?

Ein AfD-Cheshire-Kater in der ARD-Talkshow „Hart aber fair“ im WDR-Fernsehstudio Köln   Foto: Foto:  Robert Schmiegelt/imago

„Kuscheln mit Rechten“, taz vom 9. 2. 24

Karikatur des Dialogs

Mich beunruhigt die Hilflosigkeit von Klamroth, Maischberger, Lanz, die mit viel rationalem Aufwand an der Fassade ihrer Protagonisten scheitern. Rationalität im Habermas’schen Sinn, dass das bessere Argument den ebenfalls rational denkenden Diskussionspartner überzeugen soll, kann hier nicht fruchten. Die Protagonisten der AfD wollen nicht überzeugt werden, das Gerede, immer wiederholt von Chrupalla und Holm, ist Propaganda und damit Lüge. Aber das traut sich keiner in der Sendung zu sagen. Habermas ging von einem intakten Ich aus, dass bei allen gleiche Voraussetzungen mit sich bringt. Nur funktioniert das nicht in der Lüge. Tanker auf taz.de

Die Erklärung für dieses unerträgliche Umschmeicheln rechter Hetzer: Lanz hält sich für einen schonungslosen, raffinierten Dialogführer, arbeitet aber doch nur das Bild-Niveau ab. Dites-Mois auf taz.de

Lanz, der Top-Verdiener, konterkarierte den öffentlich rechtlichen Auftrag zu 100 Prozent. Es tat richtig weh! Und die Bürger zahlen für Moderator Chrupalla.

Ulrich Haussmann

Chrupalla wirkt auf mich wie die karikatureske Verkörperung westdeutscher Vorurteile über die Ossis. Weidel wie die karikatureske Verkörperung ostdeutscher Vorurteile über die Wessis.

Suryo auf taz.de

Die „Mosaik-Rechten“

Schlimm, dass rechtsradikale Politiker eingeladen werden. Schlimm, dass wir uns das Elend auch noch anschauen. Solange wir das gucken und uns aufregen, machen diese TV-Formate ihre Quote. Um Information geht es nicht, sondern um ins Leere laufende Aufregung. Wer diese Formate schaut, weiß längst Bescheid. Ist es an der Zeit, dass wir lieber ins Bett gehen und ausschlafen – PolitikerInnen, AutorInnen, JournalistInnen diesen Sendungen eine Absage erteilen? Wer mehr über die Strategie der Neuen Rechten erfahren möchte, kann sich über „Mosaik-Rechte“ informieren, über das Zusammenspiel von radikaler/rechtsextremer Provokation und Selbstverharmlosung. Exemplarisch bei Lanz zu beobachten.

Jeannette Kassin, Hamburg

„Wir können so nicht weitermachen. Fakten gehen nicht so leicht viral, die Framings und Verdrehungen von AfD und Co hingegen schon. Es ist Zeit für ein Umdenken“, wochentaz vom 10. 2. 24

Gegenpropaganda?

Viele wählen die AfD aus Wut. Wut auf „das System“, vor allem das bürokratische System, das uns täglich mit neuen Vorschriften, Bescheiden und sonstigen Gemeinheiten „piesackt“. Und dann denken viele an den alten Sponti-Spruch: „Macht kaputt, was euch kaputt macht!“

Dieses Abarbeiten an der AfD! Kann mann denn nicht knallhart sagen, dass die tatsächlich so blöde sind, wie sie sich geben? Beispiele dafür fände man genug. Wo bleibt die Zitatensammlung der Spitzen? Da gäbe es genug, was einen Kleinkunstpreis verdient hätte. Man muss es bloß benennen! Dieter Kokot, Rietberg

Beim Lesen dachte ich, wenn selbst Journalisten ratlos sind, wie sollen wir „Normalbürger“ dem Rechtsruck etwas entgegensetzen? Dass Demos super sind, aber auf lange Sicht nicht ausreichen, ist ja in aller Munde. Aber was dann? In dem Essay habe ich mit Spannung auf ein Beispiel für emotional präsentierte Fakten gewartet. Wie lässt sich Gegenpropaganda (darum geht es ja wohl) formulieren und wo platzieren? Geben Sie nicht auf!

Ursula Ehlenz, Linden

Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Sport, Medien – alle sind aufgerufen, der Demokratie mehr Raum zu geben. Es braucht die nötige Gelassenheit, nicht auf alle Provokationen der AfD hereinzufallen. Aus der Mitte für die Mitte! Zeigen, was die Demokratie an gutem Leben möglich macht. Sachargumente – und die Menschen auf emotionaler Ebene abholen. Emotionen wecken – das ist die Aufgabe. Mehr über die Demokratie und ihre Errungenschaften sprechen. Die Werte beibehalten, für sie einstehen und Grenzen nicht verschieben lassen. Die demokratische Mitte darf sich von der AfD nicht treiben lassen – im Gegenteil, sie muss souverän agieren und mit neuen Ideen (nicht zum zwanzigsten Mal dieselbe alte Antwort geben!) der Demokratie eine neue Lebendigkeit verleihen. Nils Aringer, Bremen

Tschingis Aitmatow sagte in seiner Dankesrede für den Alexandr-Men-Preis 1998: „Die Menschheit hat keine umfassendere und keine kompliziertere Aufgabe als die, eine Kultur der Friedensliebe hervorzubringen, als Gegensatz zum Gewalt- und Kriegskult. Es gibt keinen Bereich der menschlichen Existenz von Politik bis Ethik, von Grundschule bis zu hoher Wissenschaft, von Kunst bis Religion – wo der menschliche Geist nicht mit der universellen Idee des Gewaltverzichts konfrontiert wäre.“ Erika Kissling

Dass man mehr auf Emotionen in der Auseinandersetzung mit der AfD setzen muss, spricht sich langsam herum. Aber wie? Interessant: die Auseinandersetzung in der FAZ mit dem Phänomen „Taylor Swift“. Sie erreicht viele Millionen junger Menschen über Tiktok. Die Lieder sind auf den ersten Blick völlig unpolitisch, transportieren aber anscheinend zum Teil im Subtext eine Botschaft gegen rechts, sodass sie jetzt auf den Anti-AfD-Demonstrationen gesungen werden. Und ab und zu hat sich Taylor Swift dann ja auch in den USA zum übergroßen Ärger der Trump-Anhänger politisch positioniert. Fazit: Wir brauchen mehr solcher Role Models: Stars, die sich – nicht unbedingt mit dem Holzhammer – positionieren. Und: die Correctiv-Recherchen haben auch ungemein geholfen, sie haben die bürgerliche Mitte auf die Straße gebracht – viele waren zum ersten Mal auf der Straße. Und die Ergebnisse kann man zumindest hier im Rheinland auch schon sehen. In bestimmten Milieus kippt die Stimmung zu Ungunsten der AfD. Fazit: Skandalisierende Fakten können weiter eine sehr wichtige Rolle spielen.

Roger Peltzer, Kerpen

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