Berliner Bäder: Iris Spranger zählt bis drei
Nach langer Sanierung ist das beliebte Stadtbad Tiergarten wieder auf. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Bis zu 30 Prozent weniger Energieverbrauch.
Am Montag feierten Politikerinnen, Politiker und Verantwortliche der Berliner Bäder Betriebe (BBB) die Wiedereröffnung des Bades unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Nur die Presse ist geladen. Nach den Reden eröffnen sechs Auszubildende der BBB das Sportbecken mit einem Sprung ins Wasser. Innen- und Sportsenatorin Iris Spranger (SPD) gibt den Startbefehl. Bei aller Kritik an ihrer politischen Performance, das muss man Spranger lassen: Sie kann bis drei zählen.
Vier Jahre hat die Grundsanierung des 1984 eröffneten Stadtbades Tiergarten gedauert. Gemessen daran, dass in Berlin derzeit viele Schwimmhallen wegen Sanierung geschlossen sind, ist das eine lange Zeit. Mit Baukosten von 19,6 Millionen Euro, knapp ein Drittel der Summe hat der Bund zugeschossen, handelte es sich um das größte Sanierungsprojekt der BBB.
Und natürlich haben wie so oft viele Dinge zu Bauverzögerungen beigetragen: Corona, Materialengpässe und kurz vor Fertigstellung wurde entdeckt, dass das Wasser aus unerfindlichen Gründen aus einem Becken in den Beton versickerte.
Schwamm drüber. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die Halle ist jetzt lichtdurchflutet, Wand- und Fußbodenkacheln sind in warmen Sandfarben gehalten, Sitzbänke und Türen leuchten rot. Ein mit Liegestühlen ausgestatteter Wintergarten lädt zum Verweilen ein. Beibehalten wurden die Dreigliederung der Becken. Nach wie vor gibt es ein Nichtschwimmerbecken, ein Sprungbecken mit einem 3-Meter-Turm, neu ist die Kletterwand, von der man sich ins Wasser fallen lassen kann – einzigartig in Berlin. Das 50 Meter lange sechsspurige Sportbecken kann durch Hochfahren einer mobilen Trennwand auch gedrittelt oder halbiert werden.
Stephan von Dassel zeigt Haut
Im Unterschied zu früher kann die Wassertemperatur in den drei Becken nun individuell gesteuert werden. Durch den Einbau moderner Anlagen wurde das gesamte Bad energetisch auf Vordermann gebracht. Die neue Lüftungsanlage verfügt über eine Wärmerückgewinnung. Die verbrauchte Luft wird beim Abführen an der frisch hinzukommenden kalten Luft vorbeigeführt, die dadurch erwärmt wird.
Das Gleiche passiert bei der Wasseraufbereitung. Bis zu 30 Prozent weniger Energie werde das Stadtbad künftig verbrauchen, heißt es in der Pressemitteilung, und circa 16 Tonnen weniger klimaschädliches CO2 pro Jahr – wobei der Gesamtverbrauchswert nicht mitgeliefert wurde.
„Im Anschluss können Sie das Bad gerne selbst testen“, hatte es in der Einladung der BBB geheißen. Innen- und Sportsenatorin Spranger macht keine Anstalten abzulegen, auch ihr Pressesprecher Thilo Cablitz hält sich bedeckt. Die übrigen Gäste stürzen sich auf das Buffet, das im Wintergarten aufgetischt ist, als im Foyer ein kleiner Mann in Badehose, dunkler Brille und Handtuch über den Schultern auftaucht. Mit einem 5-Euro-Schein herumnestelnd fragt er einen Bademeister, ob er dafür Münzen für den Garderobenschrank haben könne.
Es ist der frühere Bezirksbürgermeister von Mitte, Stephan von Dassel (Grüne). Ist ihm das nicht unangenehm, vor dieser Öffentlichkeit so viel Haut zu zeigen? „Mich kennt doch keiner mehr“, glaubt von Dassel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ost-Preise nur für Wessis
Nur zu Besuch
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Etgar Keret über Boykotte und Literatur
„Wir erleben gerade Dummheit, durch die Bank“
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Verzicht auf Pädagogen in Bremer Kitas
Der Gärtner und die Yogalehrerin sollen einspringen
Grüne Parteitagsbeschlüsse
Gerade noch mal abgeräumt